Montag, 31. März 2008

Fahrbericht Renault Clio Grandtour

Vom Sofa in die Sicherheitszelle

veröffentlicht am 26. April 2008, Berliner Morgenpost

Neun Tage lang tauschte ich meinen Renault 16 TL gegen einen funkelnagelneuen Renault Clio Grandtour ein. Es hat sich gelohnt.

Für einen Urlaub brauche ich ein Auto, über das ich nicht nachdenken und um das ich mich nicht kümmern muss. Günstig, etwa gleich groß wie der R16 und ebenso komfortabel sollte es aber schon sein. Ein Mietwagen muss her. Und zwar schnell, denn morgen soll’s losgehen – von Berlin nach Meran über alpine Umwege, also etwa 1000km. Innerhalb von drei Stunden hatte ich das beste Kompaktklasse-Angebot aus dem Internetsumpf herausgefischt. Die grüne Autovermietung war unschlagbar im Preis, allerdings nicht ganz so herausragend im Service. „Die Tankanzeige zeigt nur ¼ an, obwohl er vollgetankt ist“, erklärt der Fahrzeugwart beunruhigt, als er nach 35minütiger Wartezeit schnittig mit einem Renault Clio Kombi auf den Hof fährt. Zu Recht, denn immerhin hat der Wagen erst 20 km auf dem Tacho. Der Fehler, der sich schnell als nicht vorhanden herausstellt, wird unnützerweise im Vertrag vermerkt.

Die aerodynamische Optik des Clio Kombi irritiert mich zunächst, erinnert weder an den altbekannten Clio noch an einen klassischen Kombi. Mit der Dachreling und dem abgeschrägten Heck würde ich das Auto eher als Minivan bezeichnen. Doch schnell kommt mir der Gedanke, dass er mehr mit dem Renault 16 gemein hat, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Der R16 war zu seiner Zeit, 1966-1980, als Mischung aus Kombi und Stufenheck, wie der Grandtour, ein kleines Raumwunder. Von der gewöhnungsbedürftigen Optik ganz zu schweigen. Und beide haben etwa die gleich Länge von 4,20m. Unterschiedliche Motorisierungen gab es natürlich beim R16 auch, jedoch keine Dieselvarianten. Der 1.5 dCi Common-Rail-Diesel mit 86 PS beschleunigt an der ersten Ampel ordentlich und lässt einige andere im Rückspiegel verschwinden. Für meine Verhältnisse schnell. Doch wie gesagt – mein Vergleich ist ein 48kW-Youngtimer mit einer Spitzengeschwindigkeit von 146km/h, also leicht zu toppen.

Zu Hause angekommen, baue ich das Innenleben zum Zweisitzer um. Mit Skiern, drei Koffern und diversem Kleinkram ist der Laderaum noch lange nicht voll. Praktisch dabei ist, dass keine hohe Ladekante wie beim R 16 überwunden werden muss. Die nun von 439 auf 1277 gesteigerten Liter Laderaum überraschen und machen die Entscheidung leicht, noch ein paar mehr unnötige Schuhe, Jacken und Bücher mitzunehmen. Der R 16 hat mit 346 Litern einen kleineren Kofferraum, doch nach einfachem Ausbau des Rücksitzes lässt sich das Volumen auf 1600 Liter steigern. Die in den 60er Jahren schon als das „fahrende Wohnzimmer“ bekannt gewordene Familienlimousine konnte mit ein paar Handgriffen zum Umzugs- oder Wohnmobil umgebaut werden.

Obschon hinten ganz groß, so fehlt doch im Grandtour vorn der Platz. Und zwar zum Ablegen der üblichen Handtascheninhalte und Lebensmittel. Hinter dem Schaltknüppel steht ein Aschenbecher in Form eines kleinen Plastik-Mülleimers, mit dessen Entfernung ich eine zusätzliche Getränkehalterung gewinne. Womit es derer drei sind. Kaffee, Wasser und Trinkjoghurt sind also bestens aufgehoben. Neben der Handbremse ist eine Vorrichtung für 4-5 CDs. An vergleichbarer Stelle befindet sich beim R16 eine üppig gepolsterte aufklappbare Armlehne mit Stauraum für Audiokassetten darunter, die Handbremse ist vorn rechts unterhalb des Lenkrades angebracht. Eine weitere Ablagemöglichkeit im Grandtour befindet sich in der Türverkleidung. Das war’s. Aus Gewohnheit, erst mal alles vor die Windschutzscheibe aufs Armaturenbrett zu legen, landen Sonnenbrille, Landkarte, Kekse, Brieftasche und Telefon genau dort. Doch da ist kein Halten mehr, beim Anfahren kommt mir alles frontal entgegen geflogen, was beim R16 immer erst seitlich in den Kurven herunter rutscht. Es gibt zu wenig Ablagefläche, denke ich, wäre da nicht der Beifahrersitz.

Auf dem Berliner Ring angekommen, führt mich die Autobahn in Richtung Westen - entgegen kommt das Sturmtief „Emma“. Die starken Windböen machen sich bei einer Reisegeschwindigkeit von 130 km/h , anders als beim R 16, kaum bemerkbar. Selbst bei 150 bleibt die Straßenlage bombig fest. Einzig die Lautstärke von Fahrgeräusch und Gegenwind ist so hoch, dass ich Anrufer über die Freisprecheinrichtung meines Telefons kaum verstehen kann. Als nach diversen Telefonierversuchen wieder Ruhe einkehrt, probiere ich das Radio aus, das vom Lenkrad aus mit den Fingerspitzen fern zu bedienen ist. Die Menüführung ist zunächst nicht so einfach zu durchschauen, doch ich finde den gewünschten Sender, ohne das Handbuch lesen zu müssen. Ich probiere weitere Knöpfe aus und komme zur Kilometer- und Verbrauchsanzeige zwischen Tacho und Drehzahlmesser. 6.3 Liter Durchschnittsverbrauch zeigt er an, noch 534 Kilometer zu fahren. Die Tankanzeige steht auf halb voll. Das ist nicht schlecht, der R 16 verbraucht auf langen Strecken ca. 8 Liter, bei solchem Gegenwind 9 bis 10. Ganz zu schweigen von der Geschwindigkeit, die sicher nicht über 110 km/h hinauskäme.

Genug gespielt, ich schaue schon gar nicht mehr auf die Fahrbahn und gerate auf den Standstreifen. Im letzten Moment reiße ich den Lenker herum. Doch der Wagen kommt nicht einmal ins Schleudern. Griffig findet er den Weg zurück in die Spur und tut, als wäre nichts gewesen. Als ich die Richtung gen Süden ändere und Emma von rechts kommt, beschleunige ich auf 160 bis 170km/h. Die Böen merkt der Clio kaum, auch die Beschleunigung funktioniert noch oberhalb von etwa 3000 U/min bestens. Beim R 16 unvorstellbar, er hat eine Neigung zum Segeln.

Endlich – und ohne getankt zu haben – erreiche ich den Alpenrand. Die Straßen sind trocken und die Beschleunigung den Fernpass hinauf ist gut. In den Haarnadelkurven lassen sich mit dem flinken Franzosen Laster und andere Schleicher prima überholen. Jedoch macht sich das kleine, handliche Lenkrad nach der langen Autobahnfahrt in der Nackenmuskulatur bemerkbar. Da ist mir das Riesenrad des R16 doch lieber. Es dunkelt in den Bergen und ich nähere mich dem Ziel. In Meran angekommen husche ich flugs durch den feierabendlichen Verkehr hinein in Hotel Steigenberger’s Tiefgarage. Ein letzter Check der Verbrauchsanzeige sagt mir: Durchschnitt 5,8 Liter/100 km. Das kann sich sehen lassen, meine ich. Allerdings sehe ich nichts im Handschuhfach. Es hat keine Beleuchtung. Oder ist sie vielleicht nur kaputt? Ich suche, doch entdecke ich kein Lämpchen und freue mich, dass mein R16 einen solchen Luxus hat.

Letztendlich hat sich der Tausch rentiert. Der Dieselverbrauch des Grandtour von 5,7l/100km im Vergleich zu 8-10l Benzin beim R16 brachte eine Ersparnis von ca. 30%. Die Fahrzeit hat sich um etwa die gleiche Quote reduziert. Der Fahrkomfort allerdings lässt sich nicht vergleichen. Das Sofagefühl im Renault 16 ist einfach einzigartig. Dafür gibt der Clio Grandtour ein Gefühl von Sicherheit, ökonomischem Bewusstsein und Geborgenheit. Eben genau das, was man für eine schnelle Urlaubsreise braucht.

Seit dem 18. Januar 2008 ist der Clio Grandtour in Deutschland zu Preisen ab 13.400 Euro* erhältlich.

Technische Daten Renault Clio Grandtour:

Kleinwagen-Kombi mit fünf Sitzen, Länge/Breite/Höhe/Radstand: 4,20 Meter/ 1,72 Meter/ 1,50 Meter/ 2,58 Meter, Kofferraumvolumen 439 Liter bis 1277 Liter;

*kleinste Version: 1,2-Liter-Ottomotor mit 55 kW/75 PS.

copyrightRenateFreiling2008

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