Montag, 21. Mai 2012

Türkisch - nicht nur für Anfänger

Im Sommer kommt der Hyundai i20 im neuen Gewand auf den europäischen Markt. Nicht nur ein Facelift, sondern auch eine neue Motorisierung und mehr Komfort zeichnen den Kleinwagen aus. Eine Ausflug von Istanbul zu seinem Herstellungsort zeigt, was er kann.
Der 1967 gegründete koreanische Automobilhersteller kam 1991 als Hyundai Motor Deutschland GmbH nach Neckarsulm. Zunächst machte sich die Marke durch preisgünstige Kleinwagen einen Namen. Diesen Trend nimmt Hyundai seit 2009 verstärkt wieder auf – mit wachsenden Qualitäts- und Sicherheitsansprüchen, wie am neuen i20 zu erfahren ist. Huyndai rechnet in diesem Jahr mit einem Marktanteil von 2,3 % im europäischen Kleinwagen-Segment, 67.000 i20 sollen im türkischen Werk Assan vom Band rollen. Der Kleinwagen, der seit 2009 bereits rund 37.000 mal in Deutschland zugelassen wurde, und etwa 100 Kilometer östlich von Istanbul produziert wird, erhält in der zweiten Generation ein neues Design, verbesserten Komfort und eine optimierte Motorisierung. Um sich gegenüber Konkurrenten wie Polo, Ford Fiesta oder Mitsubishi Colt zu behaupten, hat Hyundai die Entwicklung der i20-Modellvarianten vorangetrieben. Gänzlich neu ist eine 1.1 Liter Drei-Zylinder-Diesel-Motorisierung mit einem CO2-Ausstoß von nur 84 g/km. Mitten in der lärmenden Istanbuler Altstadt steht eine leistungsstärkere Variante bereit: ein 1.4 Liter Modell des i20 mit 4-Gang-Automatikgetriebe. Schon auf den ersten Blick wirkt der rund vier Meter lange Fünftürer in der Linienführung dynamischer als der Vorgänger. In der Frontpartie wurden die Heckklappe vergrößert und die Scheinwerfer in Klarglasoptik weiter zur Seite gedehnt. Doch ist er durch den Hyundai-typischen Hexagonal-Kühlergill unverkennbar. Am Heck sind Reflektoren in den Stoßfänger integriert, die Rückleuchten unterlagen daher ebenfalls einer leichten optischen Veränderung. Im Innenraum herrscht Stille, sobald die fünf Türen geschlossen sind. Mit seinen dezent schwarz-grauen Sitzbezügen, dem hochwertig anmutenden Armaturenbrett, Lederlenkrad und einer schwarzglänzenden Mittelkonsole wirkt er auf den ersten Blick wie ein Fahrzeug der Kompaktklasse. Solide und ausreichend einstellbare Sitze mit Armlehne für den Fahrer sowie eine gute Höhe, selbst für erwachsene Mitfahrer auf dem Rücksitz, sorgen für ein sicheres Fahrgefühl. Die Rundumsicht ist gut, und trotz von außen breit wirkender C-Säule lässt sich im Istanbuler Stadtverkehr noch so einiges auch im tot geglaubten Winkel entdecken. Handlich und leicht lässt sich der i20, wenn auch mit einem relativ großen Wendekreis von über 10 Metern, durch die schmalen Straßen lenken. Auf der Autobahn in Richtung Osten zeigt er, was er kann. Bis zu 170 Stundenkilometern schafft er mit seinen 101 PS. Die Fahrgeräusche sind bis zu einem Tempo von 120 km/h sehr moderat. Die Beschleunigung des Automatiks wird lang übersetzt, starker Schub ist nur beim Kickdown zu erwarten - der im hektischen Berufsverkehr zwischen unzähligen Lkw so manches Mal vonnöten ist. Dem stockenden Verkehr entkommen, gleitet der i20 weich über die stellenweise gänzlich fehlende Fahrbahndecke, er verleitet nicht zum Rasen. Selbst auf Abwegen ins türkische Landleben erweist sich das Fahrwerk als geländegängig und robust. Nur wenige Minuten vor Erreichen des Hyundai-Werks, dass seit 1997 für den europäischen Markt produziert, dürfen bei einem Wolkenbruch die Regen- und Lichtsensoren ihre Leistungsfähigkeit noch einmal unter Beweis stellen. Auch Extras wie die Rückfahrkamera, die im Griff der Heckklappe sitzt, erweisen in einer solchen - im wahrsten Sinne des Wortes aussichtslosen - Situation ihre Nützlichkeit. Der i20 stellt sich als solider und sparsamer Kleinwagen mit bestem Komfort dar. Ein gutes Einstiegsmodell für sparsame und umweltbewusste Fahrer, die auf Komfort nicht verzichten wollen. Doch die Zeiten, in denen sich Hyundai über einen günstigen Preis definierte, sind vorbei. Technische Daten Hyundai i20 1.4 Automatik Fünftüriger Kleinwagen mit Steilheck Länge/Breite/Höhe/Radstand: 3 995/1 710/1 490/2 525 mm. Leergewicht: 1 093-1 206 kg, zulässiges Gesamtgewicht: 1 565 kg, Gepäckraum: 295 – 1 060 Liter, Tankinhalt: 45 Liter, Preis: ab 15 920 Euro. Vierzylinder-Reihenmotor aus Leichtmetall, verteilerlose Direktzündung Hubraum: 1 396 ccm, Leistung: 74 kW/101 PS bei 5 500 /min, max. Drehmoment: 137 Nm, bei 4 200 /min, 0 – 100: 12,9 s, Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h, Normverbrauch kombiniert: 7,6 l/100km, CO2-Ausstoß 140 g/km, Euro 5. Technische Daten Hyundai i20 blue 1.1 CRDi Dreitüriger Kleinwagen mit Steilheck Länge/Breite/Höhe/Radstand: 3 995/1 710/1 490/2 525 mm. Leergewicht: 1 145-1 266 kg, zulässiges Gesamtgewicht: 1 635 kg, Gepäckraum: 295 – 1 060 Liter, Tankinhalt: 45 Liter, Preis: ab 11 550Euro. Dreizylinder-Reihenmotor mit Common-Rail-Direkteinspritzung Hubraum: 1 120 ccm, Leistung: 55 kW/75 PS bei 4 000 /min, max. Drehmoment: 180 Nm, bei 1 750-2 500 /min, 0 – 100: 15,7 s, Höchstgeschwindigkeit: 158 km/h, Normverbrauch kombiniert: 3,3 l/100km, CO2-Ausstoß 84 g/km, Effizienzklasse A+. Text: Renate Freiling

1. Oldtimer-Kongress bei der Techno Classica

Am 21. März 2012 trafen sich auf der 24. Techno Classica in Essen, der weltgrößten Klassiker-Messe, beim 1. Oldtimer-Kongress rund 200 Oldtimer-Experten und Interessierte zum Thema „Vorsprung durch Wissen“. Die eintägige Veranstaltung am Fachbesuchertag der bis zum 25. März dauernden Messe enthielt Vorträge zur Restaurierungsethik, zu Aus- und Weiterbildung, zum Oldtimer-Sachverstand von Gutachtern und zur Zukunft der Branche. Letztgenanntes Thema wurde in einer Podiumsrunde von fünf Spezialisten aus Wirtschaft und Kfz-Gewerbe diskutiert. Die Clubszene wurde dabei vertreten durch die ADAC Oldtimer-Sektion. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. (ZDK) rief die Idee zum Kongress ins Leben. Die überwiegend aus der Praxis stammenden Teilnehmer durften fundierte Beiträge von Kennern und Experten aus der Oldtimer-Szene erwarten. Die Vorträge und die anschließende Debatte zur zukünftigen Entwicklung der Branche spannten einen weiten Bogen von Definitionen und Statistiken über Restaurierungsfragen sowie das weite Feld der Oldtimer-Gutachten bis hin zu konkreten Ausbildungsthemen und allgemeinen Ideen zur Nachwuchsförderung in den Werkstätten aber auch in der Oldtimerszene generell.
Bei der Präsentation verschiedener Ansätze einer Fahrzeug-Restaurierung wurden die jeweiligen Vorteile und Nachteile dargestellt. Ein positiver Trend ist, dass nicht mehr die „Top-Restaurierung“ im Vordergrund des Interesses von Oldtimerbesitzern steht, sondern nach und nach die Erkenntnis kommt, dass das weitgehende Erhalten der historischen Substanz oft eine wesentlich bessere Alternative zum kompletten Restaurieren darstellt. Aus der Gutachter-Praxis wurden viele dramatische Fallbeispiele aus der Praxis gezeigt. Leider gibt es immer wieder Oldtimerfahrzeuge, die als „toprestaurierte“ Exemplare angeboten werden, bei denen aber oft genug Schadstellen oder schlechte Reparaturen verborgen sind. In manchen Fällen werden die Käufer bewusst in betrügerischer Weise getäuscht. Um solchen Enttäuschungen vorzubeugen wird es immer wichtiger, spezifizierten Sachverstand einzusetzen. Einen wesentlichen Faktor für das Überleben historischer Fahrzeuge stellen die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Restaurierungsfachbetrieben dar. Der ZDK hat hier bereits Vorsorge getroffen und bietet entsprechende Lehrgänge an. Auch eine Zertifizierung und Spezialisierung von Reparaturbetrieben sind weitere Maßnahmen, die zum sachgerechten Erhalt des Oldtimerbestands beitragen. Die Techno Classica als weltweit führende Messe für klassische und historische Automobile bot einen idealen Rahmen und erfuhr durch den Kongress eine weitere Bereicherung. Die Verständigung der Spezialisten untereinander fand bisher hauptsächlich auf der Messe selbst statt. Jährlich reisen etwa 1.200 Aussteller und rund 180.000 Besucher aus der ganzen Welt nach Essen, um sich dort zu informieren, Raritäten anzusehen oder auch einen der über 2.500 zum Verkauf stehenden Oldtimer zu erwerben. Ein Rahmenprogramm mit thematischen Schwerpunkten, wie vom ZDK angeboten bietet die Gelegenheit, sich innerhalb fachlicher Foren auszutauschen. Der Zuspruch der Teilnehmer und das positive Feedback lassen vermuten, dass es im nächsten Jahr einen zweiten Oldtimer-Kongress geben wird. Die ADAC Oldtimer-Sektion vertrat bei dem Kongress die Young- und Oldtimer-Fahrer in Deutschland. Mit einem Nachwuchspotential in Höhe von rund 4,5 Millionen Oldtimer-affinen Deutschen und mehr als 400 ADAC eigenen Oldtimer-Veranstaltungen pro Jahr wird der ADAC als Interessensvertreter der Oldtimer- und Club-Szene immer wichtiger. Auch auf ihrem Messe-Stand bei der Techno Classica verbuchte die ADAC Oldtimer-Sektion zunehmende Besucherzahlen und eine verstärkte Nachfrage zu Oldtimer-Themen. Als grundlegende Informationslektüre dient der ADAC Oldtimer-Ratgeber, der alle zwei Jahre neu erscheint und kostenlos erhältlich ist. Mit der ADAC Deutschland Klassik und der ADAC Trentino Classic hat die ADAC Oldtimer-Sektion - neben zahlreichen regionalen Oldtimer-Rallyes, Bergrennen und Ausfahrten - zwei hochkarätige Veranstaltungen in ihrem Portfolio, die den zunehmenden Trend nach Oldtimer-Wandern bedient. Text: Renate Freiling

Beitrag ADAC Oldtimer-Newsletter 16. Mai 2012

Oldtimer quo vadis? Über 30 Jahre alte Fahrzeuge gelten als automobiles Kulturgut - sofern Sie die Voraussetzungen für die Zulassung mit einem H-Kennzeichen erfüllen. Oldtimer und deren nachfolgende Gener
ationen in der Politik zu vertreten, hat sich der ‚Parlamentarische Arbeitskreis Automobiles Kulturgut‘ zur Aufgabe gemacht. Im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Sitzungen im Bundestag standen am 9. Mai 2012 die neuesten Entwicklungen rund um das Thema Oldtimer auf der Tagesordnung. Diskutiert wurden Wachstumsraten im Oldtimersegment Besonders intensiv wurde dieses Mal das Wachstumspotenzial von Fahrzeugen mit H-Kennzeichen diskutiert. Ist ein Fahrzeug mindestens 30 Jahre alt, kann es von einer der amtlich anerkannten Prüfstellen ein Gutachten für eine H-Zulassung erhalten. Entscheidend dabei ist, ob das Fahrzeug weitestgehend original erhalten ist und sich in einem erhaltenswürdigen Zustand befindet. Ein gut erhaltener VW Golf I kann also durchaus mit einem H-Kennzeichen gefahren werden, ebenso die ersten produzierten Exemplare des Mercedes 190, des sogenannten Baby-Benz. Doch ist durch Autos, die in großen Stückzahlen in den 80er und 90er Jahren gebaut wurden, eine übermäßig steigende Zahl an Oldtimern mit H-Kennzeichen zu erwarten? Anteil der Oldtimer gerade mal bei 0,5 Prozent Die von der Classic Data Marktbeobachtung GmbH (www.classic-data.de) aufgearbeiteten Zahlen des Verbands der Automobilindustrie (VDA) belegen, dass nur wenige von ihnen den Status des historischen Automobils mit H-Kennzeichen erreichen. Am 01.01.2008 verzeichnete die Statistik rund 1.183.706* Pkw mit einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren, die sogenannten Youngtimer. Pkw mit H-Kennzeichen wurden am selben Tag mit einer Anzahl von 164.225* verzeichnet. Vier Jahre später, am 01.01.2012, lag die Zahl der Youngtimer bei 1.700.000*, die der H-Kennzeichen tragenden Pkw bei rund 231.064*. In den letzten 10 Jahren betrug die Zunahme an Pkw mit H-Kennzeichen jährlich durchschnittlich 9 %*. Der Anteil von Oldtimern am Gesamtbestand von 42,9 Millionen Pkw (Quelle: KBA, 01.01.2012) liegt damit bei lediglich 0,5 %*. Auch die starken Jahrgänge weit verbreiteter Modelle und die verbesserte Haltbarkeit von Fahrzeugen aus den 80er Jahren sind nicht als Anzeichen für eine von zahlreichen Medien heraufbeschworene ‚Oldtimerschwemme‘ zu deuten. Politische Hürden zur Erreichung der 30-Jahres-Grenze – wie beispielsweise verschärfte Emissionsstandards und damit einhergehende höhere Steuern, Konjunkturimpulse wie Abwrackprämien und Steuererleichterungen für Neufahrzeuge als Kaufanreize – verhindern diesen Effekt erfolgreich. Angst vor Oldtimerschwemme unbegründet Verantwortlich für das Ausscheiden von über 20jährigen als potentielle Oldtimer ist darüber hinaus laut Classic Data auch ihr vergleichsweise geringer Marktwert. Da ein Unfallschaden oder eine größere Reparatur schnell den Fahrzeugwert des entsprechenden Youngtimers überschreiten können, entscheiden sich viele Besitzer im Zweifelsfalle gegen den kostspieligen Erhalt. Der Oldtimer-Nachwuchs hingegen rekrutiert sich entweder aus gut erhaltenen, unverbastelten Originalen, relativ teuren Exoten wie BMW Z1 oder De Lorean oder eben selteneren, restaurationswürdigen Sondermodellen. In großen Stückzahlen gebaute Autos – sogenannte Brot- und Butterautos – sind aufgrund ihres Gebrauchtwagendaseins sogar stärker vom Aussterben bedroht, da ihnen der „natürliche Artenschutz“ der hochpreisigen Youngtimer eben nicht zugedacht wird. Dass sich Geschichte oftmals wiederholt erkennt man allein schon daran, dass auch vor 30 Jahren eher ein Ford 15M Turnier das Zeitliche segnete als eine sternenbewehrte Pagode. Beispiele aus der Vergangenheit wie die „Ente“, der Renault 4 oder ein Fiat 500 sind mittlerweile hoch gehandelte Raritäten, wobei „hoch gehandelt“ relativ ist und nichts mit den Preisspekulationen auf Hochpreisauktionen zu tun hat, die häufig in den fachfremdem Medien dargestellt werden. Die Frage nach einer bevorstehenden Welle von „neuen“ Oldtimern ist also ganz klar mit nein zu beantworten, die Angst vor einer „Oldtimerschwemme“ somit unbegründet. Fachfremde Medien zeichnen oftmals ein verzerrtes Bild Kritisch zu betrachten ist dagegen die Berichterstattung der Publikumsmedien – wohlgemerkt nicht der Fachpresse - zum Thema Oldtimer. Nicht nur Motor- sondern auch Wirtschaftsredaktionen interpretieren die Zahlen gern tendenziös und führen teils unrealistische Beispiele an: Hohe Renditen aus einem Oldtimer-Verkauf und eine „drohende Oldtimerschwemme“ können schnell zu einem verzerrten Bild in der Öffentlichkeit – Oldtimer als Hobby der Reichen - führen. Wer Oldtimer lediglich als Renditeobjekt oder Youngtimer als inflationären Nachwuchs vor dem Hintergrund einer Steuererleichterung betrachtet, macht es sich zu einfach und verfehlt das Ziel. Laut Studie des Oldtimerweltverbandes FIVA liegt der Wert jedes einzelnen Oldtimers in 78 % der Fälle unter 15.000 Euro und stellt daher mitnichten ein Hobby ausschließlich für reiche Herrenfahrer dar. Darüber hinaus wird der, wenn überhaupt vorhandene Wertzuwachs eines Oldtimers durch notwendige Wartungs- und Unterbringungskosten aufgefressen, sodass von „Garagengold“ nur in wenigen Fällen die Rede sein kann. Im Vordergrund der meisten Oldtimerenthusiasten stehen die emotionalen Gründe für das geliebte Hobby – eben der Aspekt, dass ein Oldtimer Kulturgut ist, den es als technisches und kulturelles Erbe zu erhalten gilt. *Quelle: VDA

Dienstag, 6. März 2012

Wer ist der Schönste im ganzen Land?




40 Jahre Schneewittchensarg: Unterwegs auf der Eifel Classic

Es war einmal an einem verregneten Tag in der Eifel. Dunkle Wolken hingen über dem Nürburgring, doch in seinem Fahrerlager herrschte sonnige Stimmung. Bei der Oldtimer-Rallye „Eifel Classic“ trafen sich 2010 rund 330 Oldtimerfreunde, um an der dreitägigen Tour durch die märchenhafte Region bis hin nach Luxemburg teilzunehmen. Schöne, sportliche und seltene Autos wie ein Porsche 550 RS Spyder, ein Jaguar SS 100 aus den 30er Jahren, der Audi Ur-Quattro – mit 30 Jahren auch schon Oldtimer – und unser von Volvo zur Verfügung gestellter P 1800 ES rangierten unter den 165 Pretiosen. Wobei der letzere hinsichtlich seiner Schönheit ganz sicher ein Favorit war.

Strahlendes Blaumetallic, glänzende Chromstoßstangen und die großen, getönten Fensterflächen stechen trotz trüben Wetters sofort ins Auge. Die sanft gerundeten Seitenpartien, die schlanke Silhouette und der gut proportionierte Anteil an Glas und Chrom verleihen dem Wagen einen Hauch von Luxus. Der Volvo P 1800 ES ist leer, als wir einsteigen und das Rallye-Equipment über die kleine Rücksitzbank verteilen. Die schwere Fahrertür aus Schwedenstahl fällt wuchtig ins Schloss. Doch schon beim Ausziehen der Jacke merke ich, dass dies kein Kombi nach heutigem Verständnis ist. Die hintere Ladefläche ist so hoch, der Dachaufbau so flach, dass die Sicht im Rückspiegel schon durch ein unordentlich abgelegtes Stück Textil eingeschränkt ist. Mit den Helmen für den Nürburgring, ein paar Äpfeln für den kleinen Appetit sowie Stoppuhren für die anstehenden Zeitkontrollen und Wertungsprüfungen ist der Volvo voll. Hier sei angemerkt: ein typisches Rallye-Auto ist er auch nicht.

Der Volvo P 1800 ES erwuchs 1971 aus dem P 1800, dem zweiten als Sportwagen designten Volvo nach dem P 1900 seit der Firmengründung im Jahr 1927. Helmer Pettersson, legendärer Volvo-Designer, wollte den Wagen in „italienischem“ Sportwagen-Look auf den Markt bringen. Dafür setzte er Ende der 50er Jahre seinen Sohn Pelle Pettersson in der Turiner Firma Frua ein, der aus dem Projekt – wenn auch unter italienischer Namensgebung - als erfolgreicher Designer hervorging. Im Januar 1960 beim Autosalon in Brüssel präsentiert, baute man ab 1961 man das Coupé - das auch Fernsehstar Roger Moore alias ‚Simon Templar‘ fuhr - mit fünffach gelagertem Triebwerk, steigerte seine Leistung von 96 auf bis zu 108 PS und exportierte erfolgreich in die Vereinigten Staaten. Fast 35.000 Exemplare liefen bis zum letzten Baujahr 1972 vom Band. Der neue P 1800 ES unterschied sich hauptsächlich optisch vom Vorgänger, unter anderem durch einen schwarzen Kühlergrill-Einsatz, ein Dreispeichen-Lenkrad, Armaturenbrett in Holz-Optik und schwarz eingefassten Armaturen sowie Alufelgen. Die auffallendste Besonderheit war jedoch die veränderte Karosserieform. Der Sportwagen erhielt eine große gläserne Heckklappe und verlängerte Seitenfenster und avancierte damit zum Kombi. Dem englischen Reliant Scimitar oder Aston Martin Shooting Break nachempfunden gelang den Schweden nun die elegante Version eines Sportkombis, der in Deutschland unter dem Namen „Schneewittchensarg“ bekannt wurde.

Am Ziel der ersten Rallye-Etappe kommen wir – ähnlich wie in Grimms Märchen - zum Stehen und die Heckklappe springt auf. Auf der Suche nach der Ursache kommen die zwei Scharniere der Scheibe in Betracht, eine bemerkenswert schöne Konstruktion, die dem gesamten Heck ein dynamisches Aussehen verleiht. Die Scharniere sind direkt mit der Scheibe verschraubt: eines ist fix, das andere verstellbar und für die Scheibenjustierung zuständig. Der verschließbare Drehgriff am unteren Rand der Scheibe schließlich ist der Übeltäter, das Schloss ist kaputt und der Griff dreht sich während der Fahrt eigenmächtig.
„Wer hat denn da an meinem Lenkrädchen gedreht?“ fragen sich bei fortgesetzter Fahrt auf dem Nürburgring sicher auch diejenigen, deren Oldtimer plötzlich entgegen der Fahrtrichtung an der Rennstrecke parken. Nasser Straßenbelag, schlechte Bereifung und der jugendliche Elan mancher Fahrer lassen so einige Rallye-Teilnehmer Pirouetten drehen, die an Leitplanken enden, und damit als Schönheitskonkurrenten ausscheiden. Der Schneewittchensarg hingegen gleitet souverän durch die Kurven, obwohl sich auch in ihm die Gefahr durch kurze Rutschpartien erspüren lässt. Die selbsttragende Stahlkarosserie schwankt in Slalomfahrt von einer Seite auf die andere. Die Sitze ohne Seitenhalt lassen dabei überschwängliches Rutschen nach beiden Seiten zu, was zur Unterhaltung von Fahrerin und Co-Pilot beiträgt. So lässt sich auf der rund 21 Kilometer langen Nordschleife das Fahrverhalten des Volvo P 1800 ES mit seinem B 20 B-Motor bestens ausprobieren. Die Beschleunigung mit 124 PS macht sich bei voller Kraft lautstark bemerkbar, ebenso wie die Windgeräusche. Der 4-Zylinder-Reihenmotor mit 1986 ccm hat eine elektronische Benzineinspritzung (Bosch D-Jetronic), die für die damalige Zeit hochmodern war. Damit erreicht er ohne Probleme auch die Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h, doch austesten möchten wir das bei diesen Wetter- und Straßenverhältnissen nicht. Die hydraulische Zweikreis-Bremsanlage mit Scheibenbremsen rundum kann zwar zupacken, doch ist sie für ungeübte Schneewittchensarg-Führerinnen gewöhnungsbedürftig.

Die Übung stellt sich schnell ein. Nach dreimal umrundetem Rennparcours und einigen Ortsdurchfahrten der verschlafenen Eifel-Dörfer lenkt sich der Volvo schon gleich viel vertrauter. Sogar die Abmessungen insbesondere der langen Schnauze lassen sich bei Lichtschrankenprüfungen gut einschätzen. Drei Tage und 780 Kilometer später schnurrt der Motor bei der Zieleinfahrt noch immer, als wäre er gerade eingefahren worden. Da macht der Volvo seinem Ruf als solides Auto alle Ehre, immerhin hat er bereits über 274 Tsd. Kilometer - ohne Austauschmotor - auf dem Tacho. Nunmehr 40 Jahre alt findet der Schneewittchensarg immer noch unzählige neue Bewunderer, die im Fahrerlager des Nürburgrings applaudierend Spalier stehen. Nicht umsonst ist das von 1971 bis 1973 nur knapp über 8000 Mal gebaute Modell ein heißgeliebter Klassiker geworden. Er ist eben doch der Schönste, nicht nur im Eifelland.


copyright2012RenateFreiling

Freitag, 4. Februar 2011

Die Legende kehrt zurück


Begegnung von alten und neuen Rallye-Größen in Monte Carlo

MINI steigt im Jahr 2011 mit einer Sport-Version des Countryman in die Rallye-Weltmeisterschaft ein. Schon in den 60er Jahren brachte ein Team legendärer Rallyefahrer die Marke auf die vordersten Plätze, insbesondere bei der Rallye Monte Carlo. Genau 100 Jahre nach der ersten „Monte“ treffen die neuen Werksfahrer von MINI am Original-Schauplatz auf alte Legenden. Ein verheißungsvoller Anknüpfungspunkt für den Start des neuen MINI in die World Rally Championship.


Es ist eine milde Nacht im Januar des Jahres 1966. Doch oberhalb des kleinen Fürstentums am Mittelmeer, in den französischen Seealpen, liegt Schnee, stellenweise sind die Straßen vereist. Drei Mini Cooper S kämpfen sich in waghalsigen Manövern die Serpentinen hinab. Durch die Häuserschluchten der Altstadt dröhnt schon der Motorenlärm bis hinab zum Hafen. Am Quai Albert 1er drängt sich eine aufgeregte Menschenmenge, bildet eine Gasse und fängt an zu jubeln. Der erste Mini Cooper S sprintet heran und durchfährt durch das Ziel der Rallye Monte Carlo, dann der zweite und schließlich auch der dritte.



Rauno Aaltonen, der bereits berühmte und berüchtigte Werksfahrer des Teams der British Motor Company, sein Landsmann Timo Mäkinen und der Ire Paddy Hopkirk waren in den 60er Jahren nur schwer zu schlagen. Die „Monte“ gewannen die Mini-Werks-Teams von 1964 und 1967 gleich dreimal. Der eigentlich vierte und spektakulärste Sieg im Jahr 1966 wurde ihnen jedoch durch eine fragwürdige Disqualifikation aberkannt. Die skandalverdächtige Meldung über nicht zugelassene Glühbirnen aber steigerte die Sympathie für den kleinen Renner erst recht. Bis zum Jahre 2000 wurden über 5,3 Millionen Minis verkauft.



Einige davon sind auch heute Nacht wieder unterwegs, 45 Jahre später. Es ist mild und wolkenlos um 00:15 Uhr am 2. Februar 2011 am Quai Albert 1er in Monte Carlo. Aus den Bergen klingt tiefes Brummen hinab zum Hafen und wird lauter. Rund um das Ziel drängen sich Fotografen und Journalisten, um das eintreffende Teilnehmerfeld der „14. Rallye Monte Carlo Historique“ und seine teils legendären Piloten zu empfangen. Bereits am 26. Januar 2011 starteten die ersten der 322 Teilnehmer in Marrakesch, Barcelona, Warschau, Reims und Glasgow. Darunter finden sich Modelle wie Renault 4, Jaguar E-Type oder DKW F12 - überhaupt anzukommen ist für die meisten der Oldtimer-Piloten schon ein hehres Ziel.



Zuvorderst kommt die Startnummer 5 um die Kurve: ein Mini Cooper S, Baujahr 1969, gesteuert von Rauno Aaltonen, sein Co-Pilot ist der 46jährige Rallye-Sportler Helmut Artacker aus Wien. Unabhängig von der späteren Wertung wird der mittlerweile 73jährige „fliegende Finne“ damit seinem Anspruch gerecht, als erstes Team nach 4101 Kilometer langer Fahrt vom Startpunkt Marrakesch am Ziel in Monte Carlo einzutreffen. Dort werden sie bereits vom ehemaligen Teamkollegen Paddy Hopkirk (77), den zukünftigen Mini-Piloten der WRC, dem Spanier Daniel Sordo (27), dem Briten Chris Meeke (26), sowie dem neuen Mini Cooper S Countryman WRC erwartet. Mit dieser Begegnung knüpfen nicht nur die Fahrer, sondern auch die Marke MINI an die einstigen Rallye-Erfolge an. Denn schon im Laufe dieses Jahres startet MINI mit dem Countryman in der FIA World Rally Championship (WRC). Sie ist die Königsklasse des Rallyesports und damit die beste Plattform, um den nach wie vor legendären Wettbewerbsgeist der Marke unter Beweis zu stellen. So wie John Cooper damals den Ur-Mini des Alec Issigonis in einen Sportwagen verwandelte, entwickelte der Rallye-Spezialist Prodrive seit 2009 auf der Basis des Serienmodells MINI Countryman einen neuen WRC-Herausforderer mit 1,6-Liter Vierzylinder-Di-Turbomotor. In der WRC 2011 startet MINI bei sechs der insgesamt 13 Läufe, um aussagekräftige Erfahrungen zur Fahrzeugoptimierung zu sammeln. Ab 2012 wird das junge Team dann die komplette WM-Saison bestreiten.



„Ich schätze Raunos und Paddys große Leistungen sehr“, sagt der Kris Meeke zu einem Journalisten, als Rauno Aaltonen sich aus dem Wagen schält und auf Paddy Hopkirk zugeht. Flugs sitzt Kris auf dem Fahrersitz des originalgetreu nachgebauten Mini Coopers und schaut sich interessiert, doch skeptisch, das Interieur an. Während das Bild von Rauno und Paddy vor dem Mini Cooper S an vergangene Zeiten erinnert, wird Kris beim Anblick des überwiegend historischen Equipments deutlich, welche Wandlung sich – trotz der Tradition der nach wie vor legendären „Monte“ – im Laufe der Jahrzehnte vollzogen hat. „Damals war die Rallye nicht das, was man heute unter Motorsport versteht,“ erzählt Paddy Hopkirk, „es hatte auch eine Bedeutung für die Herkunftsländer der Teilnehmer.“ Dem Rahmen des 100. Geburtstages der Rallye Monte Carlo angemessen ist dieser Neustart allemal. Denn die Jahrhundert-Geschichte der Rallye ist beispiellos. Starteten am 21. Januar 1911 unter Mitinitiative von Fürst Albert I. rund zwei Dutzend Teilnehmer in Genf, Paris, Boulogne-sur-Mer, Berlin, Wien und Brüssel zu einer touristischen Sternfahrt ins Fürstentum Monaco, entwickelte sich bereits ab 1925 unter der Führung des Automobile Club de Monaco (ACM) der sportliche Charakter. Die diesjährige Rallye Monte Carlo Historique war laut Rauno Aaltonen anspruchsvoll wie damals: „Eine Kurve ist immer noch eine Kurve, und man braucht nach wie vor einen Mann, um das Auto zu steuern“.

Es wird warm in Monte Carlo am 2. Februar 2011 und die Sonne bringt auch die letzten Schneereste auf dem Col de Turini zum Schmelzen. Zufrieden und voller Zuversicht verabschieden sich die alten wie auch die jungen MINI-Piloten und verlassen für heute den symbolträchtigen Ort – und mit einem freudigen Blick auf den vielversprechenden neuen Mini Cooper S Countryman WRC murmelt Chris Meeke: „Jetzt sind wir dran“.

copyright2011Renate Freiling

Mittwoch, 2. September 2009

Italienische Spezialitäten bei der ADAC Trentino Classic 2009



Äpfel und Birnen

Autotests sind so manches Mal wie der Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Dennoch: beide haben Stiele und Kerngehäuse - oder Karosserien und Motoren. In der oberitalienischen Provinz Trentino begegnen sich bei der ADAC Trentino Classic 2009 zwei Autos wie sie unterschiedlicher kaum sein können – ein Iso Grifo 7litri und ein Vignale Gamine Spider 500. Ihnen gemein ist nicht nur das Herkunftsland, in dem sie sich nun wieder treffen, sondern auch die Ära, aus der sie stammen. Das Ambiente norditalienischer Dörfer erinnert an die guten, alten Zeiten der sechziger und siebziger Jahre...

Über 200 Teilnehmer des Oldtimer-Wanderns „ADAC Trentino Classic“ sind bei der sechsten Ausgabe der Genießer-Rallye vom 26. bis zum 29. August 2009 in Andalò am Fuße der Brenta-Dolomiten stationiert. Am südlichen Ausläufer der höchsten Hochebene Europas mit Obstanbau, dem Nonstal, ist die faszinierende Grenze von karger Alpenlandschaft über fruchtbare Täler zum Mittelmeerraum leicht zu erfahren. Üppig bestückte Apfelplantagen, dunkelrot behangene Weinstöcke und gut besuchte Badeseen gehören zum Landschaftsbild der drei diesjährigen Tagestouren. Eine ideale Kulisse für das alljährlich wiederkehrende rollende Museum, das neben Ferrari und Bugatti auch mit anderen italienischen Spezialitäten aufwartet.


Die erste Prüfung beim Prolog besteht aus der Schätzung des Gewichts einer Weintraube bei Signore Pisoni, einem der besten Winzer Italiens. „Bitte gehen Sie da vorn in die Rebstöcke und pflücken Sie ca. 400 bis 500g“, lautet die Aufforderung des ADAC-Mitarbeiters an Guido Becker. Etwa ein Vierzehntel des Hubraumes, rechnet Guido flink aus. Der Verkaufsleiter der Reifenfirma Continental ist familienbedingt bekennender Opel-Freund, allerdings nur derer mit den großen Hubräumen, und Besitzer eines leuchtend roten Iso Grifo. Das Modell wurde von 1965 bis 1974 beim Hersteller Iso Rivolta unter Mitwirkung von Giotto Bizzarini und Scirocco-Designer Giugiaro für eine spezielle, betuchte Klientel gebaut. Guidos 1970er Sportwagen ist einer von nur 65 Stück, die mit einer 7-Liter-Maschine ausgestattet wurden. Insgesamt existierten 412 Iso Grifo, die meisten mit 5,4- bis 5,8li-V8-Motor, der auch im Opel Diplomat verbaut wurde. Guido Becker erweckte das Geschoss mit dem amerikanischen 400 PS leistenden GMC-Turbojet-Triebwerk vor drei Jahren aus einem 20jährigen Dornröschenschlaf im Raum Koblenz, restaurierte es von Grund auf - zum Teil selbst - und fährt nun gerne bei Oldtimer-Rallyes vorne weg. Doch nicht so bei der ADAC Trentino Classic, bei der die Langsamkeit neu entdeckt wird. Hier kommt es auf Verstand, Einfühlungsvermögen und Genuss an.



Bei italienischen Schmankerln und einem Glas fruchtigen Apfelsaft trifft Guido Becker am Abend auf Peter Dinzl, der bei einem trockenen Chardonnay aus dem nahen Val di Cembra über seinen Vignale Gamine Spider aus seiner Sammlung von 13 Klein-Oldtimern erzählt. „Der verbraucht auf Hundert fast so viel wie in meinen Tank passt, 20 Liter!“ witzelt er über Guidos Rakete. „Je länger der Name, desto kleiner das Auto“, schlägt Guido zurück. Und tatsächlich ähnelt der knallgelbe „Gamine“ - französischer Begriff für „freche Göre“ - dem überwiegend bei Kindern beliebten Bobbycar. 1969 bot der italienische Karosseriebauer Alfredo Vignale das Cabrio im Retro-Look eines Roadsters auf der Basis des Fiat 500 für 3980 DM an, ganz modern über den Hermes Post Versand per Katalog bestellbar. Hinter dem Kühlergrill verbirgt sich lediglich der Tank. Heckklappe und Klang des Motors verraten den Cinquecento. Eine Mogelpackung? fragen sich die Kritiker. Das Modell ist eigen, ohne Frage, doch war es leicht durchschaubar und attraktiv und für den modernen Versandhauskunden. Aber nur knapp 30 der frechen Kleinen wurden verkauft bis eine Klage des Kfz-Händler-Verbandes zur Sperrung des neuen Vertriebsweges führte. Die Angaben der Produktionszahlen schwanken zwischen 250 und 1200 Stück. Mit 488kg Leergewicht wog das Versand-Paket nicht viel - und ist mit 18 PS zur nächsten Oldtimer-Wanderung gerade ausreichend gerüstet.

Bei strahlendem Sonnenschein bauen sich die 100 automobilen Raritäten auch am letzten Tag quer durchs Dorf zum Start in die trentinischen Apfel- und Weingefilde auf. Das blecherne, etwas klägliche Dengeln des Vignale Gamine Spider geht im sonoren Grummeln des Iso Grifo unter, dessen Klang sich Becker aus mehreren Edelstahl-Auspuff-Töpfen auswählte. Dominant sind auch die Abmessungen des Großen: Mit einer Länge von rund viereinhalb Metern ist er anderthalb mal so lang wie der Gamine, außerdem mit über 1500kg mehr als dreimal so schwer. Doch muss sich der Vignale Gamine dahinter nicht verstecken. Läuft der Motor des kleinen problemlos weiter, verstummt das Bollern des Iso Grifo noch vor der Startlinie,. „Vergaser- oder Zündungsproblem“, vermutet ein Oldtimer-Experte hinter der unfreiwilligen Entschleunigung. Dank der Hilfe gelber Engel schafft der Iso Grifo die letzten Etappen durch Obstplantagen und über bis zu 1600m hohe Pässe, wenn auch mit eingeschränkter Leistung. „Dabei sollte er nach der langen und intensiven Restaurierung technisch einwandfrei sein“, klagt Guido. Auf dem Siegertreppchen steht er zum Abschluss trotzdem. Lag er mit seinen Schätzungen von Gewichten und Volumina, von Äpfeln und Trauben stets knapp daneben, wurde sein Iso Grifo beim Concorso d’Eleganza mit dem dritten Platz seiner Baujahrklasse ausgezeichnet.



Technische Daten:

Iso Grifo 7li, Bj. 1970
Hubraum: 6998 ccm
PS: 400 bei 5400 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h
Verbrauch: ca. 16-18l/100km Strecke; ca. 20l+/100km Stadtverkehr
Gewicht: 1580kg
Abmessungen (L x B): 4430 x 1770 mm
Original-Verkaufspreis: ca. 66.000 DM

Vignale Gamine Spider 500, Bj. 1969
Hubraum: 499 ccm
PS: 18 bei 4600 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 96 km/h
Verbrauch: ca. 5-6l/100km
Gewicht: 488kg
Abmessungen (L x B): 3020 x 1325mm
Original-Verkaufpreis: 3.980 DM

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Montag, 20. Juli 2009

Endlosschleife – Rallye-Legende Walter Röhrl fährt zum 100. Geburtstag von Audi beim Festival of Speed




redigierte Versionen veröffentlicht am 16. Juli 2009 auf WELTonline, am 11. Juli Printausgaben Die Welt, Berliner Morgenpost

Nicht weit vom südenglischen Dörfchen Woodstock erinnern die flimmernde Luft und die angeregte Atmosphäre hin- und hereilender Menschen an ein Musikfestival. Das Donnern von Motoren und lautes Kreischen vorbeizischender Rennwagen sind die musikalische Untermalung zum bunten Treiben. Auf dem riesigen Anwesen des Earl of March tummeln sich an diesem Wochenende 152.000 Besucher, die Geschwindigkeitsfaszination zum Anfassen suchen und dazu Organic Fastfood und Eiskrem vertilgen.



Die Innenausstattung ist spärlich bis nicht vorhanden. Eine Blechhülse mit Plastikscheiben, ein paar Kühlwasserschläuche auf dem Unterboden, ein Lenkrad, Schaltknüppel und Fahrersitz. Der Drehzahlmesser im kantigen Armaturenbrett macht den Tachometer überflüssig. Am Audi Quattro S1 Pikes Peak ist kein Gramm zuviel. Mit 1000 Kilo, Vierradantrieb und 598 PS ist er gerade richtig, um nicht abzuheben. Dennoch – für nicht eingeplante Beifahrer erfordert es das Aufgebot aller Kräfte, um sich beim ersten Tippen aufs Gaspedal an den Überrollbügeln festhalten zu können und nicht durch den Heckspoiler auszusteigen. Im Bruchteil einer Sekunde scheint der Quattro die Schwerkraft zu überwinden, sich zwei Zentimeter über den Asphalt zu erheben, und entwickelt eine raketenartige Schubkraft, gegen die ein Flugzeugstart lächerlich ist. Der Wagen schießt die Rennstrecke hinab, direkt auf die Zuschauertribüne zu, rechts und links säumen Strohballen den Straßenrand, fliegen in Zentimeternähe vorbei. Doch es kann nichts passieren, denn am Steuer sitzt Walter Röhrl, der das Auto beherrscht wie Jimi Hendrix ehemals die Gitarre. Der erste deutsche Rallye-Weltmeister, seit über 40 Jahren außerdem erfolgreicher Renn- und Werksfahrer, repräsentiert beim Festival of Speed in Goodwood die Marke Audi anlässlich ihres 100. Geburtstages.


Walter Röhrl erzählt in charmant bayrischem Akzent an den drei Renntagen des Festivals (3. – 5. Juli 2009) über die legendäre Ära des Audi Quattro der 80er Jahre und seine Bestzeiten als Rallyefahrer. Er fährt noch immer gern und schnell, schüttelt freundlich den Fans die Hände. „Erst, wenn einer mit gleichem technischen Gerät besser ist als ich, dann hör’ ich auf“, so Röhrl, 62 Jahre, zweifacher Rallye-Weltmeister und aktueller Porsche-Werksfahrer. „– oder es muss irgendetwas Unerwartetes passieren.“

Doch er ist nicht der einzige Höhepunkt des Festival of Speed. Vor dem Goodwood-House ragen die beiden Enden einer gigantischen, 40 Tonnen schweren stählernen Schleife hoch in den Himmel. Der Stromlinien-Wagen Auto Union Typ C am einen und der R8 V10 am anderen, 35 Meter hohen Zipfel stehen bezeichnend für ein Jahrhundert herausragender und nicht enden wollender Automobilgeschichte und bilden den thematischen Mittelpunkt des Wochenendes. Die am 16. Juli 1909 von August Horch gegründete Marke vereinigte 1932 die Firmen Audi, DKW, Horch und Wanderer unter dem Symbol der vier Ringe zur Auto Union, 1969 kam noch NSU hinzu. Audi wartet mit 15 Rennwagen und einer breiten Palette von DTM-, Le Mans- und Rallye-Fahrzeugen auf. Die Fahrer sind inklusive – Stig Blomquist, Hannu Mikkola, Harald Demuth, Frank Biela, Jackie Ickx, Pink-Floyd-Drummer Nick Mason und Walter Röhrl sind nur fünf davon, letzterer der wohl berühmteste.




Sportlich schält sich Röhrl nach dem ersten Lauf aus dem weißen Audi Quattro S1 „Pikes Peak“ mit der Nummer 1. Eine nicht enden wollende Schlange von Fans wartet am Audi-Standort geduldig auf Autogramme, während rundherum Rennwagen verschoben werden und lautstark warmlaufen. Der rotblonde Hüne schreibt seinen Namen auf Jacken, Mützen, Fotos und Sonnenschutzblenden. Mit dem Audi S1, an dessen Perfektionierung er selbst beteiligt war, gewann er 1987 das Pikes Peak Rennen in den USA in ungeschlagener Rekordzeit. Der Wagen mit dem 5-Zylinder-Leichtmetall-Reihenmotor und Turbolader erklomm damals den Gipfel des 4301 Meter hohen Berges in weniger als 11 Minuten. So zählt der Quattro „Pikes Peak“ zur Klasse 12, den „Legends of American Motorsport“. 24 thematisch unterteilte Klassen starten zweimal täglich zum 1,86 Kilometer langen Bergrennen. „Meine Fahrzeit hier beträgt etwa 1 Minute und 40 Sekunden am Tag“ lacht Röhrl, “das ist eigentlich Entspannung“. Am Audi-Stand rollt im Hintergrund ein Auto Union Typ D unter dem Zeltdach hervor, während der Meister im Zeitraffer erzählt. “Ich stieg in einen Zug, fuhr zu einer Rallye, zu der mich ein Skilehrer-Kollege eingeladen hatte, hockte mich in den Capri und fuhr schneller als der Rest der Welt. Ganz einfach.“ Sagt’s, lässt den Motor an und rollt in den Vorstart zum zweiten Lauf des sonnigen Tages.



Innerhalb von drei Jahren nach seinem erfolgreichen Debüt fuhr Röhrl vier weitere Rallies, dann folgten Einsätze als Profifahrer bei Ford, Opel, Fiat, Mercedes, Audi und Porsche. Sein Kapital ist das Feingefühl fürs Auto. „Es muss sitzen wie eine zweite Haut und funktionieren wie eines meiner Körperteile“, sagt er, mittlerweile am Start angekommen. Röhrl ist Perfektionist. Alle Details eines Fahrzeuges werden solange verbessert, bis die Grenzen der Fahreigenschaften feinstens ausgelotet sind. In Goodwood war er schon öfters. „Gastgeber Lord March fuhr bei der Porsche GT-Präsentation mit mir und bestellte sich gleich einen“, erzählt er weiter. Dazu Lord March: „Er ist der schnellste Mann, mit dem ich je gefahren bin“. Porsche hat Röhrl zur Begleitung der großen Audi-Jubiläums-Veranstaltungen vom Vertrag freigestellt. Scharfes Konkurrenzdenken weicht dem Harmoniebedürfnis der Automobilbranche und trägt damit zum Flair des Festivals bei.



An der Startlinie angekommen gibt Röhrl kurz Gas und schafft die Strecke in 49 Sekunden. „Der Wagen ist schon was Besonderes“, sagt er auf dem Rückweg ins Lager. Die Spezialitäten dieses Quattros sind die Wassersprühkühlung für Bremsen, ein Wasserkühler und ein Ladeluftkühler. Der Abgasturbolader sorgt mit einem Umluftsystem für konstant hohe Drehzahlen. „Der S1 war der Gipfel, der wüsteste Auswuchs schnellsten Quattros“, schwärmt Röhrl. 1987 begann er Rundstrecken zu fahren. Bis 1992 blieb er in der Rennsportabteilung von Audi. „Die 80er Jahre bei Audi waren eine bewegte Zeit für die Marke. Der Allradantrieb war revolutionär und wir vollzogen einen kompletten Imagewandel - vom Hosenträgerauto für Oberlehrer zum alltagstauglichen Sportwagen.“ Die Zeit von 1988 bis 1990 möchte Röhrl nicht missen. Monate verbrachte er mit anderen Fahrern und den Ingenieuren auf der Rennstrecke, um den Audi V8 zu perfektionieren.

Mit der Entourage der Rennsportabteilung, den Fahrern und der Mannschaft von Audi Tradition finden sich abends am Verpflegungs- und Kommunikations-Truck etwa 40 hungrige Mägen zum gemeinsamen Grillen ein. Der hautnahe Kontakt zwischen Rennfahrern, Autos und Publikum und die gemeinsame Leidenschaft schaffen eine freundschaftliche, beinahe familiäre Aura. Walter Röhrl denkt ab und zu ans Aufhören. Aber dann verdrängt er den Gedanken schnell wieder. „Ich kann einfach nicht nein sagen“, sagt der ehemalige Vegetarier und beisst genussvoll in eine Ingolstädter Wurst. „Das, was ich vor Jahren erreicht habe, ist doch vorbei, Erfolge sind sofort Geschichte und jetzt kommt wieder was Neues.“ Bescheiden ist er, sich auf Lorbeeren auszuruhen ist nichts für ihn. Er bleibt sich selbst treu, hat den gleichen Ehrgeiz wie früher und sagt, wenn ihm etwas nicht passt.
Am nächsten Tag nach dem 1. Bergrennen kehrt Röhrl zufrieden zurück. „ Das Auto war stabil, ich konnte bis an die physikalische Grenze gehen.“ In 20 Jahren intensiven Rallye-Sports vermochte er etwa 250 Mal, diese Grenze zu erspüren, am meisten Spaß machte ihm die Rallye Monte Carlo. Dort bewies Röhrl mit vier unterschiedlichen Autos seine Siegessicherheit. „Der Spaß steht genauso im Mittelpunkt wie der ernsthafte Ehrgeiz im Job, das Eine geht für mich nicht ohne das Andere“, ruft er, während im Hintergrund Peter Fonda zu „Born to be Wild“ den Berg hinauf choppert.
Privat fährt Röhrl einen 1992er Porsche 964 RS und pflegt als Liebhaberfahrzeug einen der letzten Audi A2 mit nur 6000 gelaufenen Kilometern. Sein Verhältnis zum Auto ist nicht technisch, sondern emotional, ökonomisch und rational begründet. Noch nie in seinem Leben hat Röhrl getankt, ohne den Verbrauch auszurechnen. Als Fahrradfahrer legte er in Spitzenzeiten bis zu 12.000 Kilometer im Jahr zurück.
Der nächste Höhepunkt im Audi-Jubiläumsjahr ist für Walter Röhrl und seinen ehemaligen Co-Piloten Christian Geistdörfer die Heidelberg Historic Rallye am Wochenende des 11. Juli. Nur an den Ruhm kann er sich noch nicht ganz gewöhnen: „Mir ist das fast schon peinlich“.


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