Montag, 21. Mai 2012

Türkisch - nicht nur für Anfänger

Im Sommer kommt der Hyundai i20 im neuen Gewand auf den europäischen Markt. Nicht nur ein Facelift, sondern auch eine neue Motorisierung und mehr Komfort zeichnen den Kleinwagen aus. Eine Ausflug von Istanbul zu seinem Herstellungsort zeigt, was er kann.
Der 1967 gegründete koreanische Automobilhersteller kam 1991 als Hyundai Motor Deutschland GmbH nach Neckarsulm. Zunächst machte sich die Marke durch preisgünstige Kleinwagen einen Namen. Diesen Trend nimmt Hyundai seit 2009 verstärkt wieder auf – mit wachsenden Qualitäts- und Sicherheitsansprüchen, wie am neuen i20 zu erfahren ist. Huyndai rechnet in diesem Jahr mit einem Marktanteil von 2,3 % im europäischen Kleinwagen-Segment, 67.000 i20 sollen im türkischen Werk Assan vom Band rollen. Der Kleinwagen, der seit 2009 bereits rund 37.000 mal in Deutschland zugelassen wurde, und etwa 100 Kilometer östlich von Istanbul produziert wird, erhält in der zweiten Generation ein neues Design, verbesserten Komfort und eine optimierte Motorisierung. Um sich gegenüber Konkurrenten wie Polo, Ford Fiesta oder Mitsubishi Colt zu behaupten, hat Hyundai die Entwicklung der i20-Modellvarianten vorangetrieben. Gänzlich neu ist eine 1.1 Liter Drei-Zylinder-Diesel-Motorisierung mit einem CO2-Ausstoß von nur 84 g/km. Mitten in der lärmenden Istanbuler Altstadt steht eine leistungsstärkere Variante bereit: ein 1.4 Liter Modell des i20 mit 4-Gang-Automatikgetriebe. Schon auf den ersten Blick wirkt der rund vier Meter lange Fünftürer in der Linienführung dynamischer als der Vorgänger. In der Frontpartie wurden die Heckklappe vergrößert und die Scheinwerfer in Klarglasoptik weiter zur Seite gedehnt. Doch ist er durch den Hyundai-typischen Hexagonal-Kühlergill unverkennbar. Am Heck sind Reflektoren in den Stoßfänger integriert, die Rückleuchten unterlagen daher ebenfalls einer leichten optischen Veränderung. Im Innenraum herrscht Stille, sobald die fünf Türen geschlossen sind. Mit seinen dezent schwarz-grauen Sitzbezügen, dem hochwertig anmutenden Armaturenbrett, Lederlenkrad und einer schwarzglänzenden Mittelkonsole wirkt er auf den ersten Blick wie ein Fahrzeug der Kompaktklasse. Solide und ausreichend einstellbare Sitze mit Armlehne für den Fahrer sowie eine gute Höhe, selbst für erwachsene Mitfahrer auf dem Rücksitz, sorgen für ein sicheres Fahrgefühl. Die Rundumsicht ist gut, und trotz von außen breit wirkender C-Säule lässt sich im Istanbuler Stadtverkehr noch so einiges auch im tot geglaubten Winkel entdecken. Handlich und leicht lässt sich der i20, wenn auch mit einem relativ großen Wendekreis von über 10 Metern, durch die schmalen Straßen lenken. Auf der Autobahn in Richtung Osten zeigt er, was er kann. Bis zu 170 Stundenkilometern schafft er mit seinen 101 PS. Die Fahrgeräusche sind bis zu einem Tempo von 120 km/h sehr moderat. Die Beschleunigung des Automatiks wird lang übersetzt, starker Schub ist nur beim Kickdown zu erwarten - der im hektischen Berufsverkehr zwischen unzähligen Lkw so manches Mal vonnöten ist. Dem stockenden Verkehr entkommen, gleitet der i20 weich über die stellenweise gänzlich fehlende Fahrbahndecke, er verleitet nicht zum Rasen. Selbst auf Abwegen ins türkische Landleben erweist sich das Fahrwerk als geländegängig und robust. Nur wenige Minuten vor Erreichen des Hyundai-Werks, dass seit 1997 für den europäischen Markt produziert, dürfen bei einem Wolkenbruch die Regen- und Lichtsensoren ihre Leistungsfähigkeit noch einmal unter Beweis stellen. Auch Extras wie die Rückfahrkamera, die im Griff der Heckklappe sitzt, erweisen in einer solchen - im wahrsten Sinne des Wortes aussichtslosen - Situation ihre Nützlichkeit. Der i20 stellt sich als solider und sparsamer Kleinwagen mit bestem Komfort dar. Ein gutes Einstiegsmodell für sparsame und umweltbewusste Fahrer, die auf Komfort nicht verzichten wollen. Doch die Zeiten, in denen sich Hyundai über einen günstigen Preis definierte, sind vorbei. Technische Daten Hyundai i20 1.4 Automatik Fünftüriger Kleinwagen mit Steilheck Länge/Breite/Höhe/Radstand: 3 995/1 710/1 490/2 525 mm. Leergewicht: 1 093-1 206 kg, zulässiges Gesamtgewicht: 1 565 kg, Gepäckraum: 295 – 1 060 Liter, Tankinhalt: 45 Liter, Preis: ab 15 920 Euro. Vierzylinder-Reihenmotor aus Leichtmetall, verteilerlose Direktzündung Hubraum: 1 396 ccm, Leistung: 74 kW/101 PS bei 5 500 /min, max. Drehmoment: 137 Nm, bei 4 200 /min, 0 – 100: 12,9 s, Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h, Normverbrauch kombiniert: 7,6 l/100km, CO2-Ausstoß 140 g/km, Euro 5. Technische Daten Hyundai i20 blue 1.1 CRDi Dreitüriger Kleinwagen mit Steilheck Länge/Breite/Höhe/Radstand: 3 995/1 710/1 490/2 525 mm. Leergewicht: 1 145-1 266 kg, zulässiges Gesamtgewicht: 1 635 kg, Gepäckraum: 295 – 1 060 Liter, Tankinhalt: 45 Liter, Preis: ab 11 550Euro. Dreizylinder-Reihenmotor mit Common-Rail-Direkteinspritzung Hubraum: 1 120 ccm, Leistung: 55 kW/75 PS bei 4 000 /min, max. Drehmoment: 180 Nm, bei 1 750-2 500 /min, 0 – 100: 15,7 s, Höchstgeschwindigkeit: 158 km/h, Normverbrauch kombiniert: 3,3 l/100km, CO2-Ausstoß 84 g/km, Effizienzklasse A+. Text: Renate Freiling

1. Oldtimer-Kongress bei der Techno Classica

Am 21. März 2012 trafen sich auf der 24. Techno Classica in Essen, der weltgrößten Klassiker-Messe, beim 1. Oldtimer-Kongress rund 200 Oldtimer-Experten und Interessierte zum Thema „Vorsprung durch Wissen“. Die eintägige Veranstaltung am Fachbesuchertag der bis zum 25. März dauernden Messe enthielt Vorträge zur Restaurierungsethik, zu Aus- und Weiterbildung, zum Oldtimer-Sachverstand von Gutachtern und zur Zukunft der Branche. Letztgenanntes Thema wurde in einer Podiumsrunde von fünf Spezialisten aus Wirtschaft und Kfz-Gewerbe diskutiert. Die Clubszene wurde dabei vertreten durch die ADAC Oldtimer-Sektion. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V. (ZDK) rief die Idee zum Kongress ins Leben. Die überwiegend aus der Praxis stammenden Teilnehmer durften fundierte Beiträge von Kennern und Experten aus der Oldtimer-Szene erwarten. Die Vorträge und die anschließende Debatte zur zukünftigen Entwicklung der Branche spannten einen weiten Bogen von Definitionen und Statistiken über Restaurierungsfragen sowie das weite Feld der Oldtimer-Gutachten bis hin zu konkreten Ausbildungsthemen und allgemeinen Ideen zur Nachwuchsförderung in den Werkstätten aber auch in der Oldtimerszene generell.
Bei der Präsentation verschiedener Ansätze einer Fahrzeug-Restaurierung wurden die jeweiligen Vorteile und Nachteile dargestellt. Ein positiver Trend ist, dass nicht mehr die „Top-Restaurierung“ im Vordergrund des Interesses von Oldtimerbesitzern steht, sondern nach und nach die Erkenntnis kommt, dass das weitgehende Erhalten der historischen Substanz oft eine wesentlich bessere Alternative zum kompletten Restaurieren darstellt. Aus der Gutachter-Praxis wurden viele dramatische Fallbeispiele aus der Praxis gezeigt. Leider gibt es immer wieder Oldtimerfahrzeuge, die als „toprestaurierte“ Exemplare angeboten werden, bei denen aber oft genug Schadstellen oder schlechte Reparaturen verborgen sind. In manchen Fällen werden die Käufer bewusst in betrügerischer Weise getäuscht. Um solchen Enttäuschungen vorzubeugen wird es immer wichtiger, spezifizierten Sachverstand einzusetzen. Einen wesentlichen Faktor für das Überleben historischer Fahrzeuge stellen die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Restaurierungsfachbetrieben dar. Der ZDK hat hier bereits Vorsorge getroffen und bietet entsprechende Lehrgänge an. Auch eine Zertifizierung und Spezialisierung von Reparaturbetrieben sind weitere Maßnahmen, die zum sachgerechten Erhalt des Oldtimerbestands beitragen. Die Techno Classica als weltweit führende Messe für klassische und historische Automobile bot einen idealen Rahmen und erfuhr durch den Kongress eine weitere Bereicherung. Die Verständigung der Spezialisten untereinander fand bisher hauptsächlich auf der Messe selbst statt. Jährlich reisen etwa 1.200 Aussteller und rund 180.000 Besucher aus der ganzen Welt nach Essen, um sich dort zu informieren, Raritäten anzusehen oder auch einen der über 2.500 zum Verkauf stehenden Oldtimer zu erwerben. Ein Rahmenprogramm mit thematischen Schwerpunkten, wie vom ZDK angeboten bietet die Gelegenheit, sich innerhalb fachlicher Foren auszutauschen. Der Zuspruch der Teilnehmer und das positive Feedback lassen vermuten, dass es im nächsten Jahr einen zweiten Oldtimer-Kongress geben wird. Die ADAC Oldtimer-Sektion vertrat bei dem Kongress die Young- und Oldtimer-Fahrer in Deutschland. Mit einem Nachwuchspotential in Höhe von rund 4,5 Millionen Oldtimer-affinen Deutschen und mehr als 400 ADAC eigenen Oldtimer-Veranstaltungen pro Jahr wird der ADAC als Interessensvertreter der Oldtimer- und Club-Szene immer wichtiger. Auch auf ihrem Messe-Stand bei der Techno Classica verbuchte die ADAC Oldtimer-Sektion zunehmende Besucherzahlen und eine verstärkte Nachfrage zu Oldtimer-Themen. Als grundlegende Informationslektüre dient der ADAC Oldtimer-Ratgeber, der alle zwei Jahre neu erscheint und kostenlos erhältlich ist. Mit der ADAC Deutschland Klassik und der ADAC Trentino Classic hat die ADAC Oldtimer-Sektion - neben zahlreichen regionalen Oldtimer-Rallyes, Bergrennen und Ausfahrten - zwei hochkarätige Veranstaltungen in ihrem Portfolio, die den zunehmenden Trend nach Oldtimer-Wandern bedient. Text: Renate Freiling

Beitrag ADAC Oldtimer-Newsletter 16. Mai 2012

Oldtimer quo vadis? Über 30 Jahre alte Fahrzeuge gelten als automobiles Kulturgut - sofern Sie die Voraussetzungen für die Zulassung mit einem H-Kennzeichen erfüllen. Oldtimer und deren nachfolgende Gener
ationen in der Politik zu vertreten, hat sich der ‚Parlamentarische Arbeitskreis Automobiles Kulturgut‘ zur Aufgabe gemacht. Im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Sitzungen im Bundestag standen am 9. Mai 2012 die neuesten Entwicklungen rund um das Thema Oldtimer auf der Tagesordnung. Diskutiert wurden Wachstumsraten im Oldtimersegment Besonders intensiv wurde dieses Mal das Wachstumspotenzial von Fahrzeugen mit H-Kennzeichen diskutiert. Ist ein Fahrzeug mindestens 30 Jahre alt, kann es von einer der amtlich anerkannten Prüfstellen ein Gutachten für eine H-Zulassung erhalten. Entscheidend dabei ist, ob das Fahrzeug weitestgehend original erhalten ist und sich in einem erhaltenswürdigen Zustand befindet. Ein gut erhaltener VW Golf I kann also durchaus mit einem H-Kennzeichen gefahren werden, ebenso die ersten produzierten Exemplare des Mercedes 190, des sogenannten Baby-Benz. Doch ist durch Autos, die in großen Stückzahlen in den 80er und 90er Jahren gebaut wurden, eine übermäßig steigende Zahl an Oldtimern mit H-Kennzeichen zu erwarten? Anteil der Oldtimer gerade mal bei 0,5 Prozent Die von der Classic Data Marktbeobachtung GmbH (www.classic-data.de) aufgearbeiteten Zahlen des Verbands der Automobilindustrie (VDA) belegen, dass nur wenige von ihnen den Status des historischen Automobils mit H-Kennzeichen erreichen. Am 01.01.2008 verzeichnete die Statistik rund 1.183.706* Pkw mit einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren, die sogenannten Youngtimer. Pkw mit H-Kennzeichen wurden am selben Tag mit einer Anzahl von 164.225* verzeichnet. Vier Jahre später, am 01.01.2012, lag die Zahl der Youngtimer bei 1.700.000*, die der H-Kennzeichen tragenden Pkw bei rund 231.064*. In den letzten 10 Jahren betrug die Zunahme an Pkw mit H-Kennzeichen jährlich durchschnittlich 9 %*. Der Anteil von Oldtimern am Gesamtbestand von 42,9 Millionen Pkw (Quelle: KBA, 01.01.2012) liegt damit bei lediglich 0,5 %*. Auch die starken Jahrgänge weit verbreiteter Modelle und die verbesserte Haltbarkeit von Fahrzeugen aus den 80er Jahren sind nicht als Anzeichen für eine von zahlreichen Medien heraufbeschworene ‚Oldtimerschwemme‘ zu deuten. Politische Hürden zur Erreichung der 30-Jahres-Grenze – wie beispielsweise verschärfte Emissionsstandards und damit einhergehende höhere Steuern, Konjunkturimpulse wie Abwrackprämien und Steuererleichterungen für Neufahrzeuge als Kaufanreize – verhindern diesen Effekt erfolgreich. Angst vor Oldtimerschwemme unbegründet Verantwortlich für das Ausscheiden von über 20jährigen als potentielle Oldtimer ist darüber hinaus laut Classic Data auch ihr vergleichsweise geringer Marktwert. Da ein Unfallschaden oder eine größere Reparatur schnell den Fahrzeugwert des entsprechenden Youngtimers überschreiten können, entscheiden sich viele Besitzer im Zweifelsfalle gegen den kostspieligen Erhalt. Der Oldtimer-Nachwuchs hingegen rekrutiert sich entweder aus gut erhaltenen, unverbastelten Originalen, relativ teuren Exoten wie BMW Z1 oder De Lorean oder eben selteneren, restaurationswürdigen Sondermodellen. In großen Stückzahlen gebaute Autos – sogenannte Brot- und Butterautos – sind aufgrund ihres Gebrauchtwagendaseins sogar stärker vom Aussterben bedroht, da ihnen der „natürliche Artenschutz“ der hochpreisigen Youngtimer eben nicht zugedacht wird. Dass sich Geschichte oftmals wiederholt erkennt man allein schon daran, dass auch vor 30 Jahren eher ein Ford 15M Turnier das Zeitliche segnete als eine sternenbewehrte Pagode. Beispiele aus der Vergangenheit wie die „Ente“, der Renault 4 oder ein Fiat 500 sind mittlerweile hoch gehandelte Raritäten, wobei „hoch gehandelt“ relativ ist und nichts mit den Preisspekulationen auf Hochpreisauktionen zu tun hat, die häufig in den fachfremdem Medien dargestellt werden. Die Frage nach einer bevorstehenden Welle von „neuen“ Oldtimern ist also ganz klar mit nein zu beantworten, die Angst vor einer „Oldtimerschwemme“ somit unbegründet. Fachfremde Medien zeichnen oftmals ein verzerrtes Bild Kritisch zu betrachten ist dagegen die Berichterstattung der Publikumsmedien – wohlgemerkt nicht der Fachpresse - zum Thema Oldtimer. Nicht nur Motor- sondern auch Wirtschaftsredaktionen interpretieren die Zahlen gern tendenziös und führen teils unrealistische Beispiele an: Hohe Renditen aus einem Oldtimer-Verkauf und eine „drohende Oldtimerschwemme“ können schnell zu einem verzerrten Bild in der Öffentlichkeit – Oldtimer als Hobby der Reichen - führen. Wer Oldtimer lediglich als Renditeobjekt oder Youngtimer als inflationären Nachwuchs vor dem Hintergrund einer Steuererleichterung betrachtet, macht es sich zu einfach und verfehlt das Ziel. Laut Studie des Oldtimerweltverbandes FIVA liegt der Wert jedes einzelnen Oldtimers in 78 % der Fälle unter 15.000 Euro und stellt daher mitnichten ein Hobby ausschließlich für reiche Herrenfahrer dar. Darüber hinaus wird der, wenn überhaupt vorhandene Wertzuwachs eines Oldtimers durch notwendige Wartungs- und Unterbringungskosten aufgefressen, sodass von „Garagengold“ nur in wenigen Fällen die Rede sein kann. Im Vordergrund der meisten Oldtimerenthusiasten stehen die emotionalen Gründe für das geliebte Hobby – eben der Aspekt, dass ein Oldtimer Kulturgut ist, den es als technisches und kulturelles Erbe zu erhalten gilt. *Quelle: VDA

Dienstag, 6. März 2012

Wer ist der Schönste im ganzen Land?




40 Jahre Schneewittchensarg: Unterwegs auf der Eifel Classic

Es war einmal an einem verregneten Tag in der Eifel. Dunkle Wolken hingen über dem Nürburgring, doch in seinem Fahrerlager herrschte sonnige Stimmung. Bei der Oldtimer-Rallye „Eifel Classic“ trafen sich 2010 rund 330 Oldtimerfreunde, um an der dreitägigen Tour durch die märchenhafte Region bis hin nach Luxemburg teilzunehmen. Schöne, sportliche und seltene Autos wie ein Porsche 550 RS Spyder, ein Jaguar SS 100 aus den 30er Jahren, der Audi Ur-Quattro – mit 30 Jahren auch schon Oldtimer – und unser von Volvo zur Verfügung gestellter P 1800 ES rangierten unter den 165 Pretiosen. Wobei der letzere hinsichtlich seiner Schönheit ganz sicher ein Favorit war.

Strahlendes Blaumetallic, glänzende Chromstoßstangen und die großen, getönten Fensterflächen stechen trotz trüben Wetters sofort ins Auge. Die sanft gerundeten Seitenpartien, die schlanke Silhouette und der gut proportionierte Anteil an Glas und Chrom verleihen dem Wagen einen Hauch von Luxus. Der Volvo P 1800 ES ist leer, als wir einsteigen und das Rallye-Equipment über die kleine Rücksitzbank verteilen. Die schwere Fahrertür aus Schwedenstahl fällt wuchtig ins Schloss. Doch schon beim Ausziehen der Jacke merke ich, dass dies kein Kombi nach heutigem Verständnis ist. Die hintere Ladefläche ist so hoch, der Dachaufbau so flach, dass die Sicht im Rückspiegel schon durch ein unordentlich abgelegtes Stück Textil eingeschränkt ist. Mit den Helmen für den Nürburgring, ein paar Äpfeln für den kleinen Appetit sowie Stoppuhren für die anstehenden Zeitkontrollen und Wertungsprüfungen ist der Volvo voll. Hier sei angemerkt: ein typisches Rallye-Auto ist er auch nicht.

Der Volvo P 1800 ES erwuchs 1971 aus dem P 1800, dem zweiten als Sportwagen designten Volvo nach dem P 1900 seit der Firmengründung im Jahr 1927. Helmer Pettersson, legendärer Volvo-Designer, wollte den Wagen in „italienischem“ Sportwagen-Look auf den Markt bringen. Dafür setzte er Ende der 50er Jahre seinen Sohn Pelle Pettersson in der Turiner Firma Frua ein, der aus dem Projekt – wenn auch unter italienischer Namensgebung - als erfolgreicher Designer hervorging. Im Januar 1960 beim Autosalon in Brüssel präsentiert, baute man ab 1961 man das Coupé - das auch Fernsehstar Roger Moore alias ‚Simon Templar‘ fuhr - mit fünffach gelagertem Triebwerk, steigerte seine Leistung von 96 auf bis zu 108 PS und exportierte erfolgreich in die Vereinigten Staaten. Fast 35.000 Exemplare liefen bis zum letzten Baujahr 1972 vom Band. Der neue P 1800 ES unterschied sich hauptsächlich optisch vom Vorgänger, unter anderem durch einen schwarzen Kühlergrill-Einsatz, ein Dreispeichen-Lenkrad, Armaturenbrett in Holz-Optik und schwarz eingefassten Armaturen sowie Alufelgen. Die auffallendste Besonderheit war jedoch die veränderte Karosserieform. Der Sportwagen erhielt eine große gläserne Heckklappe und verlängerte Seitenfenster und avancierte damit zum Kombi. Dem englischen Reliant Scimitar oder Aston Martin Shooting Break nachempfunden gelang den Schweden nun die elegante Version eines Sportkombis, der in Deutschland unter dem Namen „Schneewittchensarg“ bekannt wurde.

Am Ziel der ersten Rallye-Etappe kommen wir – ähnlich wie in Grimms Märchen - zum Stehen und die Heckklappe springt auf. Auf der Suche nach der Ursache kommen die zwei Scharniere der Scheibe in Betracht, eine bemerkenswert schöne Konstruktion, die dem gesamten Heck ein dynamisches Aussehen verleiht. Die Scharniere sind direkt mit der Scheibe verschraubt: eines ist fix, das andere verstellbar und für die Scheibenjustierung zuständig. Der verschließbare Drehgriff am unteren Rand der Scheibe schließlich ist der Übeltäter, das Schloss ist kaputt und der Griff dreht sich während der Fahrt eigenmächtig.
„Wer hat denn da an meinem Lenkrädchen gedreht?“ fragen sich bei fortgesetzter Fahrt auf dem Nürburgring sicher auch diejenigen, deren Oldtimer plötzlich entgegen der Fahrtrichtung an der Rennstrecke parken. Nasser Straßenbelag, schlechte Bereifung und der jugendliche Elan mancher Fahrer lassen so einige Rallye-Teilnehmer Pirouetten drehen, die an Leitplanken enden, und damit als Schönheitskonkurrenten ausscheiden. Der Schneewittchensarg hingegen gleitet souverän durch die Kurven, obwohl sich auch in ihm die Gefahr durch kurze Rutschpartien erspüren lässt. Die selbsttragende Stahlkarosserie schwankt in Slalomfahrt von einer Seite auf die andere. Die Sitze ohne Seitenhalt lassen dabei überschwängliches Rutschen nach beiden Seiten zu, was zur Unterhaltung von Fahrerin und Co-Pilot beiträgt. So lässt sich auf der rund 21 Kilometer langen Nordschleife das Fahrverhalten des Volvo P 1800 ES mit seinem B 20 B-Motor bestens ausprobieren. Die Beschleunigung mit 124 PS macht sich bei voller Kraft lautstark bemerkbar, ebenso wie die Windgeräusche. Der 4-Zylinder-Reihenmotor mit 1986 ccm hat eine elektronische Benzineinspritzung (Bosch D-Jetronic), die für die damalige Zeit hochmodern war. Damit erreicht er ohne Probleme auch die Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h, doch austesten möchten wir das bei diesen Wetter- und Straßenverhältnissen nicht. Die hydraulische Zweikreis-Bremsanlage mit Scheibenbremsen rundum kann zwar zupacken, doch ist sie für ungeübte Schneewittchensarg-Führerinnen gewöhnungsbedürftig.

Die Übung stellt sich schnell ein. Nach dreimal umrundetem Rennparcours und einigen Ortsdurchfahrten der verschlafenen Eifel-Dörfer lenkt sich der Volvo schon gleich viel vertrauter. Sogar die Abmessungen insbesondere der langen Schnauze lassen sich bei Lichtschrankenprüfungen gut einschätzen. Drei Tage und 780 Kilometer später schnurrt der Motor bei der Zieleinfahrt noch immer, als wäre er gerade eingefahren worden. Da macht der Volvo seinem Ruf als solides Auto alle Ehre, immerhin hat er bereits über 274 Tsd. Kilometer - ohne Austauschmotor - auf dem Tacho. Nunmehr 40 Jahre alt findet der Schneewittchensarg immer noch unzählige neue Bewunderer, die im Fahrerlager des Nürburgrings applaudierend Spalier stehen. Nicht umsonst ist das von 1971 bis 1973 nur knapp über 8000 Mal gebaute Modell ein heißgeliebter Klassiker geworden. Er ist eben doch der Schönste, nicht nur im Eifelland.


copyright2012RenateFreiling