Montag, 25. Februar 2008

WinterRAID

Mathe für Frankophile

veröffentlicht am 19. Januar 2008 in der Berliner Morgenpost, am 26. Januar 2008 in der WELT


Mit einem Peugeot auf dem Schweizer WinterRAID 2008

Meine Hände malträtieren das Lenkrad, die Fingerknöchel sind schon ganz weiß. Ich hänge schräg vor dem Autoradio und kämpfe gegen die Fliehkraft, die uns in der scharfen Rechtskurve überwältigt; und uns – so scheint’s - gern nach links gegen eine Schneewand aus dem Rennen werfen würde. Aber der sportliche Ehrgeiz hat uns gepackt. Wir wollen mit unserem 29jährigen Peugeot 504 Coupé den 5. WinterRAID, der zu den härtesten Winterrallyes Europas zählt, gewinnen.

57 weitere Old- und Youngtimer der Baujahre 1929 bis 1983 und der vier- bis sechsstelligen Preisklassen waren in diesem Jahr im Schweizer Ferienort Klosters am Start. Sie legen an drei Tagen etwa 800 verspielte Kilometer über 9 Alpenpässe der winterlichen Schweiz, des Trentinos und Südtirols zurück. Dabei gilt es, die gesteckten Tagesziele Meran, St. Moritz und Lenzerheide unter Vorgabe einer stattlichen Durchschnittsgeschwindigkeit und zum selbst errechneten, sekundengenauen Zeitpunkt zu erreichen. Doch das wäre selbst bei erschwerten Wetterbedingungen noch zu einfach und keine „richtige“ Gleichmäßigkeits-Rallye. Und so hat die Rennleitung des Basler Veranstalters Hans-André Bichsel auf den Routen noch kleine Sonderprüfungs-Schmankerln für das Co-Piloten-Hirn eingebaut. Denn der Beisitzer hat die wichtigsten Aufgaben und die meiste Arbeit: den Chauffeur zu lotsen, bei Sonderprüfungen die Stoppuhr zu drücken und unter Anwendung schwieriger mathematischer Formeln die Sollzeit für unsere Ankunft herauszufinden.

Bei strahlendem Sonnenschein und klirrender Kälte navigiert uns das Roadbook, das auf den Meter genau den Verlauf der Tagesetappen aufzeigt, durch das von Skiurlaubern bevölkerte Davos, St. Moritz und Zernez. Unser frisch gewaschener Franzose der ältesten noch existierenden Automarke der Welt macht mit seiner eleganten Karosserieform von Star-Autodesigner Pininfarina und der Lindgrünmetallic-Lackierung richtig was her. 1978 war dieses Modell mit seinem von Peugeot, Renault und Volvo entwickelten Euro-V6-Motor bereits Sieger bei der Bandama-Rallye an der Elfenbeinküste. Allerdings unter anderen Witterungsverhältnissen und mit anderem Reglement. Hier ist die Straßenverkehrsordnung oberstes Gebot, was die Gewinnchancen für Alltagsoldtimer erheblich erhöht.

Gekonnt manövriere ich Herrn Meier, wie der Wagen nach seinem langhaarigen Vorbesitzer gestern von uns getauft wurde, die Serpentinen des Reschenpasses Richtung Südtirol hinunter. Die Dunkelheit bricht herein, nach sechsstündiger Fahrt macht sich Müdigkeit bemerkbar. „Lass’ mich wieder fahren“, ruft mein Co-Pilot – und Eigner des Herrn Meier - erschreckt. Die Kurve habe ich noch gekriegt, weiß also gar nicht was er will, komme dennoch schnittig am Straßenrand zum Stehen, schnappe mir das Sofakissen, das mir die richtige Position im Fahrersitz verschafft, und räume dieselbe. Weiter geht’s. Mittlerweile sitzt uns die Zeit im Nacken. Die errechnete abendliche Ankunftszeit ist schon längst nicht mehr zu halten, weil eine vereiste Seitenstraße uns nicht nur Nerven, sondern auch Minuten gekostet hat. Nun noch eine Schlauchprüfung – 87 Meter in 11 Sekunden. Und das Ergebnis dann auf die Gesamtzeit umrechnen? Wir geben es auf. Das ist zu viel der Rechnerei für zwei frankophile Autonarren, die sich lieber über die komfortable Innenausstattung unterhalten.

Im noblen Meraner Hotel Steigenberger eingetroffen, stellen sich – ähnlich wie nach einer Bootsfahrt - Schwindel und ein gestörtes Verhältnis zum Erdboden ein. Ob das der Rausch der Geschwindigkeit ist? „Das ist normal bei der Raserei“, bestätigt mir Hansruedi, der den zweiten Franzosen, einen Renault 4 CV, fährt. Mit 747 ccm, 21 PS, drei Gängen, vier Türen und einer Produktionszahl von über 1,1 Mio von 1947 bis 1961 war er das Volksauto der Franzosen. Eine Sportvariante des „Cremeschnittchens“ – wie es aufgrund seiner wüstengelben Original-Armeefarbe genannt wurde – gewann 1954 sogar die Mille Miglia in seiner Klasse. „Genug gefachsimpelt. Schnell essen, schlafen und munter um 5.30h aufstehen“, heißt mahnend die Devise meines Steuermannes. Ich plädiere dafür, morgen blau zu machen und den Luxus der Therme Meran zu genießen. Doch die Stimmung beim Dinner heizt meine Euphorie wieder an. Die ganze mit ihren Schmuckstücken junggebliebene Gesellschaft der Piloten und Co scheint sich verbandelt zu haben. Über die Tische hinweg tauscht man sich aus über „zu viel Mathematik“ und „zu wenige spaßige Sonderprüfungen“, motorische Verbindungen der Teilnehmer, über brenzlige Situationen und erste Blechschäden. Die hartgesottenen Frauen und Kerle sind gerade erst warm geworden, sie wollen den Wettbewerb, die sportliche Herausforderung, an ihre Grenzen gehen, und das steckt an.

Am nächsten Morgen beim Fahrerbriefing lautet die Wetterprognose: am Nachmittag Schnee. Allgemeine Freude kommt auf, besonders bei den Cabriolet-Fahrern. Was wäre eine Winterrallye ohne Schnee! Los geht die wilde Fahrt ins Trentino zu den Dolomiten. Über den Karerpass nach Canazei und rauf auf den Passo Pordoi, wo schon das Ziel der zweiten Sonderprüfung lauert. Eine Pinkelpause hat uns drei Minuten gekostet, das gibt Strafpunkte. Schnell wie der Wind fliegen die traumhaften Skipisten des Dolomitengebietes Sella Ronda vorbei. Und ebenso einer der vielen Porsche 911, der offenbar nicht mehr rechnen, sondern lieber als Erster ankommen mag. Wir lassen uns Zeit und genießen - trotz der gebotenen Eile. An einer Tankstelle treffen wir Ferruccio, einen Schweizer Rechtsanwalt, der seinen Kopf aus dem MG steckt und erzählt, wie er gerade seinen Führerschein und 150 Euro Strafe an die italienische Polizei abgeben musste. „Ärgerlich daran war nur, dass ich soviel Zeit verloren habe“, schmunzelt er und tritt das Gaspedal durch. Der Schneefall setzt ein. Mit zusammengebissenen Zähnen, meine Finger in die weichen Velours-Sitzpolster gekrallt, erklimmen wir den Ofenpass. Dicke, wehende Schneefahnen über der Motorhaube und dazu das richtige Gespür für das Vehikel bringen hier den Nervenkitzel. Herrn Meier’s starker Heckantrieb ist nicht ideal bei diesen Verhältnissen, doch beherrschbar. In Pontresina angekommen steht noch der Schneepistenparcours von Montebello bevor. Eine Runde als eigene Vorgabe, die im zweiten Durchgang genauso schnell zu absolvieren ist. 56 Sekunden brauchen die wagemutigsten Helden für die 500 Meter. Einer der eifrigen Porschefahrer geht bei seiner zweiten Runde verloren. Erst nach 4.454 sec. und der Entsendung von zwei Suchfahrzeugen taucht er wieder auf. Das gibt Gelächter beim letzten gemeinsamen Abendessen im luxuriösen Kempinski Grand Hotel des Bains in St. Moritz.

Der dritte und letzte Tag steht bevor. Nach dem Fahrerbriefing erhält die Rennleitung Besuch von der Schweizer Polizei. Sie sucht drei Freunde der automobilen Klassik, die sie bei nächtlichem Schneegestöber aufgrund des Tempos fotografisch gut getroffen hat, und beschwert sich bei der Gelegenheit auch mal so ganz im Allgemeinen: „Die fahren ja wie die rüdigen Affen“. Und schon stehen diese wieder aufgereiht hintereinander. Etwas wehmütig und mit dem Gefühl, schon seit Wochen auf dieser Rallye zu sein, starten wir nach Lenzerheide. Ein Leichtes, den Julierpass mit Schneeketten zu überqueren.

Sieger geworden sind nicht wir, sondern ein deutsches Modell: der Opel Commodore. Aber gewonnen haben wir trotzdem – das unbeschreibliche Gefühl, etwas Großes erlebt und geleistet zu haben, nicht nur auf dem Sektor der Mathematik. Und beim nächsten WinterRAID versuchen wir es einfach nochmal.

copyrightRenateFreiling2008

Oldtimer-Rallyes Winter:

WinterRAID 2009: 15. bis 17. Januar, ca. 60 Fahrzeuge bis Baujahr 1978 und Sondergenehmigungen, Nenngeld 2009: abhängig von Strecke und Hotel, ca. 1.890 € (2 Pers. im Dz.). www.raid.ch

Planai Classics 2009: voraussichtlich 4.und 5. Januar, 55 Fahrzeuge bis Bj. 1972. www.ennstal-classic.at

Nachschlagewerk für sämtliche Oldtimerveranstaltungen: www.classiquecardiary.de

Peugeot 504 V6 Ti Coupé:

Bj: 1974-1983

Motor: Euro-V6 Heckantrieb mit 2664 ccm, 144 PS, Rallyeversion mit 225 PS

Produktionszahl: 26.629

Höchstdrehzahl 8.000/min.
Verdichtungsverhältnis 10,5 bis 11,1.

Gewicht: ca. 1.400 Kilogramm

Höchstgeschwindigkeit: 187 km/h

Preise: Neupreis 1979 ca. 36.230 DM; Zustand 2 heute ca. 11-13.000 €

Peugeot-Oldtimer-Szene: www.peugeot-amicale.de

„Cremeschnittchen“ Renault 4CV:

Bj: 1947-1961

Motor: Heckantrieb mit 760/747 ccm, 17-21 PS; Rallyeversion mit 42 PS

Produktionszahl: 1.105.543

Drehzahl 3.500 bis 6.000/min.
Verdichtungsverhältnis 7,3 bis 7,8

Gewicht: ca. 600 Kilogramm

Höchstgeschwindigkeit: 95-140 km/h

Preise: Neupreis 1961 einschl. Heizung Standardmodell 3.885 DM, Luxusmodell 4.385 DM; Zustand 2 heute ca. 7-9.000 €

Renault-Oldtimer-Szene: www.renault-club.de

Touristische Informationen und Verkehrsinfos:

Hotelreservierung und allgemeine Informationen: www.klosters.ch

Verkehrs-, Oldtimer- und Touristikinformationen: www.adac.de

Straßenverhältnisse in Graubünden: www.strassen.gr.ch/

Schweiz Tourismus: www.myswitzerland.com

Regionale und touristische Informationen: www.suedtirol.com

Verkehrs- und Tourismusinformationen über das italienische Trentino: www.trentofunivie.com, www.trentino.to

Nachschlagewerk der Wintersportgebiete und Karten: ADAC SkiGuide Alpen 2008, 19,95 €

AvD-Histo-Monte

Wer sagt, dass fliegen schöner ist?
Die AvD-Histo-Monte bringt 50 Young- und Oldtimer an die Côte d'Azur

veröffentlicht am 16. Februar 2008 in der WELT und Berliner Morgenpost

Eine Reise in den Süden ist dieser Tage eigentlich eine feine Sache. Rein in den Flieger, sich entspannt der Fliehkraft hingeben und schon zwei, drei Stunden nach dem Abheben am Mittelmeer aufschlagen. Billig, schnell und bequem. Doch es soll Menschen geben, die nicht davor zurück schrecken, die lange Überlandfahrt „auf Achse“ anzutreten, und noch dazu unterwegs nette Abstecher machen. Was das für Leute sind? Die Antwort ist einfach: die Teilnehmer der Oldtimer-Rallye AvD-Histo-Monte.

Seit 14 Jahren veranstaltet der Automobilclub von Deutschland die etwa 2000 Kilometer lange touristische Orientierungsfahrt, um die Tradition der legendären Rallye Monte Carlo und die Erinnerung an die Klassiker der Rallye-Autos aufrecht zu erhalten. Die tollkühnen Fahrer reisten, oder besser rasten, bis 1996 aus allen Ecken Europas nach Monte Carlo an – aus Kopenhagen, Barcelona, Reims, Turin und dreimal sogar aus dem hessischen Hanau.

Auf den Spuren der 1911 als Sternfahrt erfundenen „Königin des Rallyesports“ verfolgen nun 50 bunt gemischte Vehikel vier Tage lang ein Ziel: den Hafen des Fürstentums zu erreichen; und das, wenn möglich, als Sieger. Schlechter platziert ist auch nicht schlimm, denn dabei sein ist alles. Kreuz und quer eilen sie durch die überwiegend französischen Lande und stoppen die Zwischenzeiten – wie früher. Historische Prüfungen wie die im Tal der Chartreuse, am Col de Bleine und am Col de Turini in den französischen Seealpen sind inklusive.

Nichts für Warmduscher

Die fünf Baujahr-Klassen der 50er bis 80er starten an einem sonnigen Winter-Donnerstag auf dem Hanauer Marktplatz. Wo auch die Schwierigkeiten schon beginnen. Der 8-Zylinder-Triumph TR7 mit der Startnummer 5 erscheint nicht. „Technische Schwierigkeiten“, teilt Fahrer Thomas Schumann, Spezialist für Hanhart-Stoppuhren, per Telefon mit. Fahren will er trotzdem, wenn auch später. Mit etwa 50 Verspätungsminuten passiert der TR 7 das Starttor in Richtung Opel-Testgelände. Hier werden Insassen und Auto auf die erste harte Zeitprobe gestellt und auf abenteuerlichem Straßenbelag erst mal richtig durchgerüttelt. Kaum wieder auf der normalen Straße zurück, sind die anderen Teilnehmer nicht mehr zu sehen. Nur irgendwo am Horizont biegt ein grauer Käfer ab. Das war doch definitiv die falsche Richtung, oder? Wer im Bordbuch, der Orientierungsbibel der Rallye, den Faden verliert, ist aufgeschmissen. Flugs in der Landkarte nachgeschaut und losgeprescht. Die Zeit drängt bereits, ab 15 Uhr ist Mittagspause mit Saumagen und Sauerkraut in Pirmasens. Danach ruft der märchenhafte Pfälzerwald mit einer weiteren Sonderprüfung. 8,27 Kilometer in 10 Minuten und 20 Sekunden. Zu dem Berg an Material auf dem Beifahrerschoß gesellt sich nun auch noch die sogenannte Schnitttabelle, in der nach diesen Vorgaben die Geschwindigkeit zu finden ist. „Das ist eben keine Veranstaltung für Warmduscher“, wie ein Hanauer Zuschauer am Morgen kommentierte. Mitmachen kann trotzdem jeder, der einen mindestens 20 Jahre alten fahrbaren Untersatz mitbringt. Nur möglichst Rallye-authentisch sollte er sein, so wie etwa ein Renault 4 CV, ein 1200er VW Käfer, ein Kadett oder Opel Ascona, in dem Walter Röhrl 1982 die Monte gewann. Dessen ehemaliger Co-Pilot Jochen Berger ist als professioneller Herausforderer mit dem ehemaligen Radprofi Klaus-Peter Thaler am Steuer bereits zum 8. Mal bei der AvD-Histo-Monte dabei. „Es gibt eine Menge an gutem Nachwuchs. Die Rallyes sind besser, genauer und ausgetüftelter als früher“, bemerkt Berger, setzt sich lässig auf den Beifahrersitz und landet in der Tageswertung immerhin auf Platz fünf.


Eine Stoppuhr ist die halbe Miete

Schon am zweiten Morgen ist die 12stündige Tortur des ersten Tages vergessen und das Teilnehmerfeld eine eingefahrene und lustig beflügelte Gemeinschaft. Schumann wird bereits „Schumacher“ genannt. Im Hosenträgergurt sitzt er im TR7 wie festgetackert. Das Cockpit ist voll ausgestattet. Mit Twinmaster zur zweifachen Kilometermessung und Präzisionsstoppuhren fährt er in der Sanduhrklasse – digitales Equipment verboten. „Mit diesen Instrumenten lassen sich Siege einfahren, das werde ich schon zeigen“, sagt er scherzhaft, lässt den Motor aufheulen und startet zum Tiefflug. Die Messgeräte gehören bei den ernst zu nehmenden Rallyefahrzeugen zur Ausstattung, doch eine gute Stoppuhr ist auch für den Laien die halbe Miete. Schade nur, dass vor lauter Einstellungen, Messungen und Bordbuch-Lesen keine Zeit bleibt, die Landschaft zu genießen. Und so wären beinahe einige Teams am atemberaubenden Ausblick auf den Mont Blanc im Abendrot vorbei gerast. Hätte nicht der signalorangefarbene Skoda 110 mit Rallyemeister Matthias Kahle am Steuer einfach mal ausgebremst, bevor das Feld in Aix-Les-Bains zum Betten-Stopp einfliegt.


Der Spaßfaktor

Spartanisch ausgerüstet ist Kabarettist Urban Priol mit seinem Mercedes 190 aus dem Jahre 1959 unterwegs. Der W121 ist kein typisches Rallyeauto, war zu seiner Zeit eher eine gemütliche Großraumlimousine für den Typ „wohlhabender Mann mit Hut“ und wurde auch gern als Taxi genommen. Den Tchibo-Reisewecker im Handschuhfach, Bordbuch und Schreibutensilien auf dem Schoß und sportlehrermäßig die Stoppuhr in der Hand, hockt Fabian Seydel auf dem Beifahrersitz. „Endlich ist mein Beruf mal zum Hobby geworden“, witzelt der Steuerberater und stoppt die Sekunden, die der Bolide für einen Kilometer braucht. Der „Klick“ im Kilometerzähler ist sein Zeichen. Hier wird auch auf dem Fahrersitz richtig gearbeitet, denn der 50 PS-Motor zieht nicht die Wurst vom Teller, geschweige denn die fast 1200 Kilogramm Gewicht ohne Servolenkung die Serpentinen hinauf, und kann kaum den vorgegebenen Durchschnitt von 42 km/h erreichen. Und dann auch noch Trommelbremsen! Das Reizvolle an diesen Rallyes sei das Zusammenspiel dieser alten, damals fortschrittlichen Technik des Oldtimers und der Fahrkünste des Piloten, meint Priol, und bringt den Wagen wenige Zentimeter vor einem steilen Abgrund am Col de Turini um die Kurve. „Bevor ich in de’ Grabe semmel’, versieb’ ich mer libbe die Zeit“, bemerkt er hessisch und nebenbei. Das scheint nicht jeder so zu sehen, schnell greift von hinten ein röhrender Porsche 911 an und überholt gewagt. Hier, wo früher die „Nacht der langen Messer“ gefahren wurde, wächst der Ehrgeiz mit der Faszination der spektakulären Straße. Diese Sonderprüfung ist nur schwer zu schaffen, das Priol-Seydel-Team hat keine Chance gegen geübte alte Hasen.





Das behütete Abenteuer


Die letzte Etappe vom Col de Turini hinab in Richtung Monte Carlo ist nicht lang. Aber sie hat’s in sich. Scharfe Kurven und tiefe Abgründe, die zum Gleitschirmfliegen geeignet scheinen. Kaum vorzustellen, was bei Schnee uns Eis alles passieren könnte. Da wundert sich der beherzte Co-Pilot des Lebenshilfe-Gießen-Käfers, Reinhard Schade, dass die Begleitfahrzeuge stets an den Serpentinen parat stehen, waren sie doch eben noch auf der anderen Seite des Berges. „Alles nur Koordination“, erklärt Johannes Hübner, der in einem der „Orga“-Autos unterwegs ist und den „Begleit-Service“ organisiert. „Im Elsässer Wald haben wir sieben Autos aus dem Schlamm gezogen“, erzählt er, und fragt schmunzend: „Wie die bloß da rein gekommen sind?“ Das Abenteuer der AvD-Histo-Monte ist sicher eines der wohlbehütetsten dieser Sorte. Da fühlt man sich am Boden beinahe sicherer aufgehoben als in der Luft. Beinahe. Heißt es doch im Bordbuch: ‚Die Durchfahrt am Ziel erfolgt „fliegend“.’ Und vielversprechend weist ein Straßenschild mit geflügeltem Hirsch auf Wildwechsel hin.

Das Ziel in Monte Carlo erreichten alle außer einem Volvo, der mit Motorschaden den Rückweg antreten musste. Die Skoda-Piloten Kahle und Göbel flogen als Gesamtsieger, die Profis Thaler und Berger auf dem 2. und die Abenteurer Priol und Seydel auf dem 30. Platz ein. Hanhart-„Zeit-Messer“ Schumann landete auf Position 37.

copyrightRenate Freiling2008