Montag, 31. März 2008

Techno Classica

Veröffentlicht auf WELT ONLINE am 28. März 2008

Autos für’s Ansehen

Was Prada, Escada oder Dior für die Modewelt darstellen, sind Bentley, Mercedes oder Ferrari im Universum der Automobile. Das Ansehen einer Marke macht das Produkt zum Statussymbol - auch bei alten Autos. Das ist den Entscheidern der Automobilindustrie durchaus bewusst, und so zeigt man auch in der Oldtimer-Szene gerne, was man hat. Auf der weltgrößten Klassiker-Messe Techno-Classica in Essen präsentieren sich manche Marken schon seit 20 Jahren, andere erst seit heute.

Da wird gefeilscht, gefachsimpelt und gelacht. In den Hallen der Messe Essen tummeln sich Tausende Oldtimer-Liebhaber aller Generationen. Edel betuchte Millionäre spazieren neben hemdsärmeligen Schraubern, griesgrämig dreinschauende Frauen laufen hinter strahlenden Alt-Rockern her. Am Stand des Hamburger Oldtimer-Händlers Thiesen ist das Angebot an Luxus-Oldtimern groß. „Das ist für mich das Highlight des Jahres“, sagt Peter Nagel, ein Sauerländer Sammler, der sich einen zum Verkauf stehenden Bentley ansieht. „Ich bin mit meinen anderen Oldtimern sehr zufrieden - und habe bereits mehr als genug davon. Doch einen Bentley Continental aus den 50ern hätte ich noch ganz gern.“ Die Techno-Classica ist DIE Messe der gesamten Young- und Oldtimerszene. Hier präsent zu sein gehört einfach zum guten Ton. Ob für die Automobilindustrie, die Clubs oder die Peripherie mit ihren Lifestyleprodukten, Dienstleistungen und Ersatzteilen.

So ist Bentley Motors zum ersten Mal in der 20jährigen Geschichte der mittlerweile weltgrößten Messe mit einem eigenen Markenstand dabei. Raritäten aus dem Motorsport, der Bentley Blower aus dem Jahr 1930 und der Le Mans Sieger 2003 Bentley Speed Eight, stehen neben den neuen Serienmodellen. Die edlen Materialien der Innenausstattung liegen zum Anfassen aus und die Verarbeitung wird von zwei Mulliner-Mitarbeitern aus der Bentley-Abteilung für Sonderbauten demonstriert. Standesgemäß zeigt sich die Crew ebenfalls todschick: Die Jungs am Bentley-Stand tragen beigefarbene Overalls im Retro-Look der Bentley-Boys, dazu blaue Krawatten mit weißen Punkten, ganz wie früher. Die englische Manufaktur aus der Kleinstadt Crewe hat eine fast 90 Jahre alte Tradition. Walter Owen Bentley, kurz W.O., begann 1919, einen Sportwagen mit einem 3-Liter-Vierzylinder-Motor, Aluminiumkolben, obenliegender Nockenwelle, Doppelzündung und 4 Ventilen pro Zylinder zu entwickeln. Eine damals revolutionäre Technik, mit der der 3-l-Bentley 1924 das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewann. Um W.O. scharte sich eine Gruppe von rennsportbegeisterten Gentlemen, die fortan unter dem Namen „Bentley-Boys“ bekannt wurden. Tim Birkin, Woolf Barnato, Dudley Benjafield oder Bernhard Rubin waren die wohl bekanntesten, die sich in den 20er Jahren waghalsige Gefechte gegen den Rivalen Mercedes lieferten.

Der seit zehn Jahren dem Volkswagen-Konzern angegliederte Hersteller feiner Luxuskarossen schlägt mit seinem Auftritt die Brücke von der Tradition zur Moderne. Denn die Markentreue von Oldtimer-Liebhabern zeigt auch für das Neuwagengeschäft gute Perspektiven auf. „Für uns ist die Oldtimerszene eine wichtige Präsentationsplattform, das Interesse der Öffentlichkeit an Bentley ist im letzten Jahrzehnt enorm gewachsen", erklärt Reiko Käske, PR- und Kommunikationsmanager von Bentley Motors Ltd. "Die reiche Markengeschichte stellt für Oldtimerbesitzer eine emotionale Verbindung zu einem neuen Bentley her, der mittlerweile auch als Wertanlage gesehen wird. Unsere Kunden identifizieren sich mit der Marke - und investieren."

Auch beim früheren Bentley-Rivalen Mercedes-Benz stehen legendäre Rennwagen und exklusive Prestigeautos auf der 4000m² großen Ausstellungsfläche. Die gesamte Baureihe der Mercedes SL bis heute, ein frühes Prestige-Auto aus dem Baujahr 1904: der Mercedes-Simplex, und ein Mercedes SS, rennsportlicher Zeitgenosse des Bentley-Blower. Dazu diverse Vorzeigeexemplare der 16 Mercedes-Clubs und eine Rohkarosse eines 600ers W 100.

Das Traditionsbewusstsein ist bei Mercedes-Benz schon lange ausgeprägt. Bereits 1989 auf der ersten Techno-Classica waren die Stuttgarter dabei. „Damals standen bei uns noch Usambaraveilchen auf den Tischen. Doch inzwischen haben wir einen markengerechten Auftritt“, erzählt Dr. Josef Ernst, Leiter der Traditions-PR der Daimler AG. „Traditionspflege bedeutet für Mercedes-Benz, den roten Faden von den Anfängen bis heute aufzuzeigen.“ Mercedes-Benz hat drei Themen in den Mittelpunkt der Messe gestellt. Die Geschichte und Modellpflege des SL, Nachhaltigkeit und Effizienz der Automobiltechnik und das 120jährige Jubiläum der spektakulären Berta-Benz-Fahrt von Mannheim nach Pforzheim. „Wir brauchen keine guten Geschichten zu erfinden, wir haben eine große Geschichte und setzen sie fort“, so Dr. Ernst.

Mercedes war neben BMW die erste Automarke, die sich von Beginn an auf der Messe ihre interessante Historie zunutze machte, um das Markenprofil zu stärken. Mit Erfolg.

Die Begeisterung für eine Marke überträgt sich auch auf Neuwagen. Professor Dr. Willi Diez, einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftswissenschaftler, seit 1991 Professor an der Fachhochschule Nürtingen im Studienzweig Automobilwirtschaft und seit 1995 Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen, hat das Ergebnis fundierter Forschungsarbeiten auf den Punkt gebracht: „Marken, die auf eine lange Tradition und interessante Geschichte verweisen können, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil“.

Informativ, unterhaltsam und attraktiv inszeniert sind die Klassiker für die Automobilindustrie ein Image-Generator. Begleitet von den teilweise abenteuerlich gestalteten Club-Auftritten bietet sich dem Messe-Besucher ein buntes Bild der Markenwelt.

So stürmen denn auch immer mehr Autonarren von Jahr zu Jahr das Essener Messegelände, über 154.000 Besucher erwarten die Veranstalter an diesem Wochenende. Mit sehnsüchtigen Augen werden die Preziosen bestaunt, mit Digitalkameras fotografiert. Für viele bleiben die Prestige-Autos und Raritäten ein unerfüllter Traum aufgrund utopischer Preise. Doch es geht auch anders. „Den Mercedes da vorne kömma’ gewinne“, ruft eine Kinderstimme aus der Menge. Und so steht eine riesige Menschentraube am Stand der Lebenshilfe Gießen, die jährlich etwa fünf Klassiker in einer Spendanaktion verlost.

Unterm Strich scheint die Rechnung der Hersteller von Prestige-Objekten aufzugehen: Bentley Motors verzeichnete 2007 eine Steigerung des Gesamtabsatzes um 7% und verkaufte über 10000 Autos (vor fünf Jahren waren es noch rund 1000!); der Papst fährt wieder Mercedes: in zweijähriger Entwicklungsarbeit mit dem Vatikan entstand das neue Papamobil, ein Mercedes-Benz auf der Basis des G 500 in vatikanischem Mystikweiß, das bereits seit Dezember auf dem Petersplatz von Papst Benedikt XVI eingesetzt wird.

copyrightRenateFreiling2008

Fahrbericht Renault Clio Grandtour

Vom Sofa in die Sicherheitszelle

veröffentlicht am 26. April 2008, Berliner Morgenpost

Neun Tage lang tauschte ich meinen Renault 16 TL gegen einen funkelnagelneuen Renault Clio Grandtour ein. Es hat sich gelohnt.

Für einen Urlaub brauche ich ein Auto, über das ich nicht nachdenken und um das ich mich nicht kümmern muss. Günstig, etwa gleich groß wie der R16 und ebenso komfortabel sollte es aber schon sein. Ein Mietwagen muss her. Und zwar schnell, denn morgen soll’s losgehen – von Berlin nach Meran über alpine Umwege, also etwa 1000km. Innerhalb von drei Stunden hatte ich das beste Kompaktklasse-Angebot aus dem Internetsumpf herausgefischt. Die grüne Autovermietung war unschlagbar im Preis, allerdings nicht ganz so herausragend im Service. „Die Tankanzeige zeigt nur ¼ an, obwohl er vollgetankt ist“, erklärt der Fahrzeugwart beunruhigt, als er nach 35minütiger Wartezeit schnittig mit einem Renault Clio Kombi auf den Hof fährt. Zu Recht, denn immerhin hat der Wagen erst 20 km auf dem Tacho. Der Fehler, der sich schnell als nicht vorhanden herausstellt, wird unnützerweise im Vertrag vermerkt.

Die aerodynamische Optik des Clio Kombi irritiert mich zunächst, erinnert weder an den altbekannten Clio noch an einen klassischen Kombi. Mit der Dachreling und dem abgeschrägten Heck würde ich das Auto eher als Minivan bezeichnen. Doch schnell kommt mir der Gedanke, dass er mehr mit dem Renault 16 gemein hat, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Der R16 war zu seiner Zeit, 1966-1980, als Mischung aus Kombi und Stufenheck, wie der Grandtour, ein kleines Raumwunder. Von der gewöhnungsbedürftigen Optik ganz zu schweigen. Und beide haben etwa die gleich Länge von 4,20m. Unterschiedliche Motorisierungen gab es natürlich beim R16 auch, jedoch keine Dieselvarianten. Der 1.5 dCi Common-Rail-Diesel mit 86 PS beschleunigt an der ersten Ampel ordentlich und lässt einige andere im Rückspiegel verschwinden. Für meine Verhältnisse schnell. Doch wie gesagt – mein Vergleich ist ein 48kW-Youngtimer mit einer Spitzengeschwindigkeit von 146km/h, also leicht zu toppen.

Zu Hause angekommen, baue ich das Innenleben zum Zweisitzer um. Mit Skiern, drei Koffern und diversem Kleinkram ist der Laderaum noch lange nicht voll. Praktisch dabei ist, dass keine hohe Ladekante wie beim R 16 überwunden werden muss. Die nun von 439 auf 1277 gesteigerten Liter Laderaum überraschen und machen die Entscheidung leicht, noch ein paar mehr unnötige Schuhe, Jacken und Bücher mitzunehmen. Der R 16 hat mit 346 Litern einen kleineren Kofferraum, doch nach einfachem Ausbau des Rücksitzes lässt sich das Volumen auf 1600 Liter steigern. Die in den 60er Jahren schon als das „fahrende Wohnzimmer“ bekannt gewordene Familienlimousine konnte mit ein paar Handgriffen zum Umzugs- oder Wohnmobil umgebaut werden.

Obschon hinten ganz groß, so fehlt doch im Grandtour vorn der Platz. Und zwar zum Ablegen der üblichen Handtascheninhalte und Lebensmittel. Hinter dem Schaltknüppel steht ein Aschenbecher in Form eines kleinen Plastik-Mülleimers, mit dessen Entfernung ich eine zusätzliche Getränkehalterung gewinne. Womit es derer drei sind. Kaffee, Wasser und Trinkjoghurt sind also bestens aufgehoben. Neben der Handbremse ist eine Vorrichtung für 4-5 CDs. An vergleichbarer Stelle befindet sich beim R16 eine üppig gepolsterte aufklappbare Armlehne mit Stauraum für Audiokassetten darunter, die Handbremse ist vorn rechts unterhalb des Lenkrades angebracht. Eine weitere Ablagemöglichkeit im Grandtour befindet sich in der Türverkleidung. Das war’s. Aus Gewohnheit, erst mal alles vor die Windschutzscheibe aufs Armaturenbrett zu legen, landen Sonnenbrille, Landkarte, Kekse, Brieftasche und Telefon genau dort. Doch da ist kein Halten mehr, beim Anfahren kommt mir alles frontal entgegen geflogen, was beim R16 immer erst seitlich in den Kurven herunter rutscht. Es gibt zu wenig Ablagefläche, denke ich, wäre da nicht der Beifahrersitz.

Auf dem Berliner Ring angekommen, führt mich die Autobahn in Richtung Westen - entgegen kommt das Sturmtief „Emma“. Die starken Windböen machen sich bei einer Reisegeschwindigkeit von 130 km/h , anders als beim R 16, kaum bemerkbar. Selbst bei 150 bleibt die Straßenlage bombig fest. Einzig die Lautstärke von Fahrgeräusch und Gegenwind ist so hoch, dass ich Anrufer über die Freisprecheinrichtung meines Telefons kaum verstehen kann. Als nach diversen Telefonierversuchen wieder Ruhe einkehrt, probiere ich das Radio aus, das vom Lenkrad aus mit den Fingerspitzen fern zu bedienen ist. Die Menüführung ist zunächst nicht so einfach zu durchschauen, doch ich finde den gewünschten Sender, ohne das Handbuch lesen zu müssen. Ich probiere weitere Knöpfe aus und komme zur Kilometer- und Verbrauchsanzeige zwischen Tacho und Drehzahlmesser. 6.3 Liter Durchschnittsverbrauch zeigt er an, noch 534 Kilometer zu fahren. Die Tankanzeige steht auf halb voll. Das ist nicht schlecht, der R 16 verbraucht auf langen Strecken ca. 8 Liter, bei solchem Gegenwind 9 bis 10. Ganz zu schweigen von der Geschwindigkeit, die sicher nicht über 110 km/h hinauskäme.

Genug gespielt, ich schaue schon gar nicht mehr auf die Fahrbahn und gerate auf den Standstreifen. Im letzten Moment reiße ich den Lenker herum. Doch der Wagen kommt nicht einmal ins Schleudern. Griffig findet er den Weg zurück in die Spur und tut, als wäre nichts gewesen. Als ich die Richtung gen Süden ändere und Emma von rechts kommt, beschleunige ich auf 160 bis 170km/h. Die Böen merkt der Clio kaum, auch die Beschleunigung funktioniert noch oberhalb von etwa 3000 U/min bestens. Beim R 16 unvorstellbar, er hat eine Neigung zum Segeln.

Endlich – und ohne getankt zu haben – erreiche ich den Alpenrand. Die Straßen sind trocken und die Beschleunigung den Fernpass hinauf ist gut. In den Haarnadelkurven lassen sich mit dem flinken Franzosen Laster und andere Schleicher prima überholen. Jedoch macht sich das kleine, handliche Lenkrad nach der langen Autobahnfahrt in der Nackenmuskulatur bemerkbar. Da ist mir das Riesenrad des R16 doch lieber. Es dunkelt in den Bergen und ich nähere mich dem Ziel. In Meran angekommen husche ich flugs durch den feierabendlichen Verkehr hinein in Hotel Steigenberger’s Tiefgarage. Ein letzter Check der Verbrauchsanzeige sagt mir: Durchschnitt 5,8 Liter/100 km. Das kann sich sehen lassen, meine ich. Allerdings sehe ich nichts im Handschuhfach. Es hat keine Beleuchtung. Oder ist sie vielleicht nur kaputt? Ich suche, doch entdecke ich kein Lämpchen und freue mich, dass mein R16 einen solchen Luxus hat.

Letztendlich hat sich der Tausch rentiert. Der Dieselverbrauch des Grandtour von 5,7l/100km im Vergleich zu 8-10l Benzin beim R16 brachte eine Ersparnis von ca. 30%. Die Fahrzeit hat sich um etwa die gleiche Quote reduziert. Der Fahrkomfort allerdings lässt sich nicht vergleichen. Das Sofagefühl im Renault 16 ist einfach einzigartig. Dafür gibt der Clio Grandtour ein Gefühl von Sicherheit, ökonomischem Bewusstsein und Geborgenheit. Eben genau das, was man für eine schnelle Urlaubsreise braucht.

Seit dem 18. Januar 2008 ist der Clio Grandtour in Deutschland zu Preisen ab 13.400 Euro* erhältlich.

Technische Daten Renault Clio Grandtour:

Kleinwagen-Kombi mit fünf Sitzen, Länge/Breite/Höhe/Radstand: 4,20 Meter/ 1,72 Meter/ 1,50 Meter/ 2,58 Meter, Kofferraumvolumen 439 Liter bis 1277 Liter;

*kleinste Version: 1,2-Liter-Ottomotor mit 55 kW/75 PS.

copyrightRenateFreiling2008

Freitag, 21. März 2008

Youngtimer





Viel Kult für kleines Geld

Veröffentlichung: Die Welt, Berliner Morgenpost am 22.März 2008

Viele denken, alte Autos sind nur was für reiche Leute. Stimmt aber nicht. Denn die Oldtimer-Szene hat einen boomenden und billigeren Ableger bekommen – die Youngtimer. Immer mehr jüngere Fahrer besinnen sich auf Charakterautos aus vergangenen Zeiten. Ob sie im Ford Granada als Jugendliche von ihren Eltern aus der Disko abgeholt wurden oder der Lehrer einen Renault 16 fuhr, diese Melancholie verursachenden Karossen werden wieder „hip“. Und so teuer wie „normale“ Oldtimer sind sie lange nicht. Auf der weltgrößten Klassiker-Messe Techno Classica in Essen sind am nächsten Wochenende einige der schrillen 60er-, 70er- und 80er-Vehikel zu sehen, zu erfahren und zu kaufen.

Ein VW 1600L Variant war 1979 mit elf Jahren auf dem Buckel eigentlich schon ein Youngtimer und kostete circa 500 DM. Abiturienten, Studenten und Individualisten fuhren gern solche alten Autos, um darüber ihren Protest gegen das Spießertum kundzutun. Und natürlich weil sie billig und lässig waren – das Wort „cool“ war damals noch nicht eingedeutscht. Diese Kisten fingen bereits im Alter von sechs Jahren an zu rosten und wurden selten älter als zehn. Passanten blieben naserümpfend stehen, wenn solche Modelle mit röhrenden Auspuffen und löchrigen Kotflügeln um die Ecke bogen. Ein neuer B-Ascona, Scirocco oder Golf 1 – das waren die bürgerlichen Autos. Doch auch sie verschwanden – wie der Variant - von den Straßen, und zählen heute zum trendigen Nachwuchs der Oldtimerszene – der Kategorie „Youngtimer“.

Profis, Kenner und Sympathisanten der Young- und Oldtimer-Branche treffen sich bei der Techno Classica, die zu ihrem 20. Jubiläum vom 26. bis zum 30. März 2008 über 150000 Besucher erwartet. Kein Wunder, denn mehr als 1000 Aussteller bieten alles, was das Herz der Old- und Youngtimer-Freaks begehrt. Von der Blumenvase am Armaturenbrett über die elektronisch gesteuerte Zündeinheit bis hin zur Versicherung. Clubs und Automobilhersteller inszenieren die extravagantesten, schrägsten und kultigsten Modelle einfallsreich und unterhaltsam.

So hat sich die Autostadt in diesem Jahr den Spaß auf ihr Fähnchen geschrieben. Unter dem Motto „Volkswagen zum Vergnügen“ greifen die Wolfsburger den Trend der Youngtimerei auf. In Halle 7 präsentiert das ZeitHaus, das Museum der Autostadt, eine Sammlung besonders individueller, faszinierender und starker VW-Automobile aus den späten 60er und 70er Jahren. Die Fahrspaß-Autos Käfer Cabrio, VW-Porsche, GTI, Kübel und Buggy haben drei Gemeinsamkeiten: Sie repräsentieren das aktuelle Thema Youngtimer, sie tragen das VW-Signet – und sie standen schon vor drei bis vier Jahrzehnten für eine Einstellung zum Automobil, mit der Volkswagen aktuell Furore macht: für Emotion und für Individualismus. Als im Jahr 1974 der Golf auf den Markt kam, prägte er mit dem Slogan „Auto, Motor und Spaß“ eine ganze Generation. Die Identifikation mit einem Auto war auf einem Höhepunkt angekommen.

Der Trend hat sich weiter entwickelt, die Grenzen zwischen Old- und Youngtimern verwischen. Galt bis Februar 2007 noch die für eine vergünstigte Versicherung notwendige gesetzliche Bezeichnung „Youngtimer“ für 20 bis 30 Jahre alte Fahrzeuge, so ist heute der Übergang Interpretationssache. Je nach Seltenheitswert oder Charakter kann ein Youngtimer 15 oder auch 35 Jahre alt sein. Erfunden wurde der Begriff 1993, als der ADAC Nordrhein den historischen Motorsport für neuere Baujahre entdeckte und die Youngtimer Trophy, eine der renommiertesten Motorsportveranstaltungen dieser Szene, ins Leben rief. Im Reglement wurde er festgelegt auf Boliden aus den Baujahren zwischen 1966 und 1988. Um in die günstige Steuer- und Versicherungsklasse zu kommen, ist heute ein H-Kennzeichen erforderlich. Das bekommen gepflegte Fahrzeuge im Originalzustand, die mindestens 30 Jahre Lebenserfahrung nachweisen können.

„In der Sparte der Youngtimer werden im Gegensatz zu Oldtimern die Fahrzeuge oft noch alltäglich genutzt. Viele der mehr als 16 Millionen ADAC-Mitglieder besitzen einen Oldtimer, weit mehr als 70% der historischen und klassischen Fahrzeuge sind in den pflegenden Händen von ADAC-Mitgliedern,“ erklärt Albert Kockelmann, Leiter der Oldtimer- und Clubkoordination des ADAC und Mit-Herausgeber des neu aufgelegten ADAC Oldtimer-Ratgebers, der Pflichtlektüre für Einsteiger in die Klassikerszene.

Die Anschaffungskosten für einen Youngtimer sind relativ gering. Etwa 45% aller historischen Fahrzeuge haben einen Wert von bis zu 5000 € (Quelle: ADAC Oldtimer-Ratgeber).

Rund 2000 Prachtstücke werden bei der Essener Messe zum Verkauf angeboten. Doch sollten Einsteiger gut informiert, überlegt und mit fachmännischer Unterstützung an den Kauf herangehen. Oft zahlt man nur für das Image der Marke und eine coole Selbstdarstellung. Peter K., Kreativdirektor einer Berliner Werbeagentur, fährt einen 1969er Porsche 911 - mittlerweile ein Klischee. „Der ist todschick, war mit 12000 € ein Schnäppchen. Aber die Ersatzteile und Reparaturen fressen mir die Haare vom Kopf,“ klagt er. Anders beim Peugeot 205, der in diesem Jahr auf der Techno Classica seinen 25. Geburtstag feiert. Ersatzteile gibt es preisgünstig in ausreichenden Mengen und schrauben kann man noch selbst. Auch bei diesem damaligen Trendsetter setzt der Hersteller auf die Nachwuchs-Zielgruppe der Youngtimer-Fahrer. 1983 führte Peugeot den 205 auf dem Markt als Nachfolger des 104 ein und produzierte bis zur Produktionseinstellung im Jahr 1998 knapp 5,3 Millionen Exemplare als Zweitürer, Viertürer, Cabrio sowie Kastenwagen mit Motoren von 45 PS bis 200 PS. In Deutschland ist der bis 1996 angebotene 205 mit insgesamt 422.318 zugelassenen Exemplaren noch heute der erfolgreichste Peugeot aller Zeiten. Und der Bestand ist auch 10 Jahre nach Ende des Verkaufs immer noch beeindruckend: Zum 1. Januar 2007 waren noch 67.694 Exemplare in Deutschland zugelassen.

Ebenfalls 25 Jahre alt und 304 PS stark ist der kantige Audi Sport quattro am Stand der Audi Tradition. Gekonnt inszeniert im passenden Ambiente steht der „Quattro“ in einem kompletten Rallye-Servicepunkt, es gibt Rallye-Filme von Audi zu sehen, dazu originale Rallye-Utensilien und Rallye-Pokale aus der Zeit der 80er-Jahre.

Die Youngtimer rollen weiter in die nächsten Jahrzehnte, und rollen und rollen... Der Trend setzt sich fort, und so werden sicher auch in Zukunft weitere Klassiker geboren, die heute noch nicht als solche erkannt worden sind. Also: heute günstig graue Mäuse kaufen, morgen zur Young- und übermorgen zur Oldtimer-Szene gehören.

CopyrightRenateFreiling2008